Foto: CC BY-NC-ND 2.0 by flickr.com/jim forest

Rechte Perspektiven auf Religion – Teil 3

In rechten Printmedien gibt es vielschichtige Bezüge auf Religion. Religiöse Versatzstücke als Teil »des Eigenen« finden sich in diversen Spektren der extremen Rechten. Stets ist die Bedrohung durch »das Fremde«, etwa den Islam, damit verknüpft. Die apabiz-Publikationsreihe magazine nimmt rechte Periodika unter die Lupe, beleuchtet zentrale Diskurse und schafft damit eine Grundlage für die argumentative Auseinandersetzung.

von Kilian Behrens, Vera Henßler, Ulli Jentsch, Frank Metzger und Eike Sanders

Der erste Teil des Artikels »Rechte Perspektiven auf Religion« erschien am Montag, den 29. Oktober 2018. Er widmet sich dem Verhältnis rechter Printmedien zum Christentum sowie zum Germanen- und Neuheidentum. Im zweiten Teil vom  1. November analysieren wir deren Islam-Rezeption. Der Artikel erscheint im Rahmen der neuen apabiz-Publikationsreihe magazine. Die komplette Ausgabe findet sich hier als pdf.

Zwischen Bedeutungslosigkeit und Antisemitismus – Perspektiven auf das Judentum

Das Judentum als Religion ist in den vorliegenden Publikationen weitestgehend abwesend. Während sich zum Islam entgegen dem extrem rechten Mainstream vereinzelt wohlwollende oder differenzierende Artikel finden lassen, sind feuilletonistische Artikel, in denen jüdische Religion und Kultur eine Rolle spielen, kaum zu finden. Mitunter spielt die jüdische Kultur vor allem aus historischer Perspektive dann eine Rolle, wenn mit dem Verweis auf ein »christlich-jüdisches Europa« eine Abgrenzung zum Islam hergestellt werden soll. In Beiträgen zum Nahost-Konflikt oder über die Erinnerungskultur in Deutschland sind hingegen nicht selten antisemitische Töne zu lesen, und dies mitunter in erschreckender Deutlichkeit.[1]

In einer frühen Ausgabe der Sezession fragt Karlheinz Weißmann unter der Überschrift »Biblische Lektionen«, welche Lehren sich aus der Lektüre des Alten Testaments »im Hinblick auf die Entstehung multikultureller Systeme« ziehen ließen. Die Israeliten im ägyptischen Exil seien demnach stets Fremde geblieben und hätten dort eine »Volkwerdung im Asyl« vollzogen. Die jüdische Frühgeschichte zeige, so Weißmann, dass durch Wanderungen entstandene »multikulturelle Systeme« am besten »despotisch« zu beherrschen sind. Die »Integrationsunwilligkeit« der Hebräer in Ägypten stehe als historisches Beispiel für eine Bedrohung, etwa weil »die Geburtenrate der Zuwanderer die der Einheimischen überstieg« oder durch die Möglichkeit der Bildung »ethnischer Brückenköpfe, die im Ernstfall mit einem äußeren Feind paktieren können«. Die jüdische Frühgeschichte dient Weißmann als Beleg dafür, dass offene Gesellschaften durch »zentrifugale Tendenzen« stets drohten, auseinanderzufallen. Als Gegenmodell begreift Weißmann die Nation, Einheiten, »die durch eine bestimmte Identitätsauffassung auf Separation und starken inneren Zusammenhalt setzen«. Unabhängig davon, wie sich die Geschichte der Hebräer im ägyptischen Exil tatsächlich verhalten haben mag: Weißmann schafft es in seinem Text, das Alte Testament als Beleg für völkisch-nationalistische Topoi aufzugreifen und dabei traditionelle antisemitische Narrative zu bedienen, nach denen »der Jude« stets als innerer Feind der Nationen betrachtet wird.

Bei den eher klassischen Themen Nahostkonflikt und »Vergangenheitsbewältigung«, also die Erinnerung an den Nationalsozialismus, geht es weniger um die jüdische Religion, als vielmehr um antisemitische Narrative. In der bereits benannten Debatte über den Islam auf dem Blog der Sezession wird auch der Nahostkonflikt thematisiert. Während  Siegfried Gerlich in Verteidigung Israels den geschichtsrevisionistischen Vergleich bemüht, dass »Israel ebenso von feindlichen Mächten eingekreist ist, wie es vormals Deutschland war« (sic!), und ihm deshalb zu einer »selbstbewussten Außenpolitik« anzuraten sei, sieht Thor von Waldstein in Israel »einen die Menschenrechte beharrlich mit Füßen tretenden Kleinstaat am östlichen Mittelmeer, der seine islamischen Bürger und Nachbarn seit Jahrzehnten mit Gewalt und Terror überzieht«. Nicht zuletzt die LeserInnen-Kommentare vermitteln ein eindrückliches Bild zur Rolle von Antisemitismus im neurechten Milieu. Der Politologe Samuel Salzborn stellt fest, dass das Judentum in der Sezession vor allem als Synonym für die Moderne und den Liberalismus fungiert: »Juden (…) stellen in der antisemitischen Phantasie alles in Frage, wofür die Sezession streitet und werden demgemäß (…) mit der Moderne, der Aufklärung und allen universalistischen Weltbildern, die dem Menschen Freiheit, Individualität und Glück versprechen« gleichgesetzt.

Bemerkenswert und eher untypisch für extrem rechte Verlautbarungen zum Thema ist ein Artikel in der Zuerst! (8/9 2018). Unter dem Titel »Was ist ‘christlich-jüdisch’?« befasst sich der Autor Falk Tiedemann historisch und kulturell mit der Frage nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Christentum und Judentum und daraus resultierend nach der Sinnhaftigkeit der Wortkonstruktion »jüdisch-christlich«. Diese habe, so der Autor, weder eine historische, noch eine theologische Basis, schließlich sei das Christentum »wie die anderen monotheistischen Religionen auch« dem Orient entsprungen: »Es dauerte Jahrhunderte, bis das Christentum mit Feuer und Schwert, mit List und Tücke und aufgrund der allzu üppigen religiösen Toleranz der damaligen ‚Heiden‘ in Europa Fuß fassen und schließlich zum dominierenden Glauben werden konnte.« Angesichts des christlichen Antijudaismus sei die »christlich-jüdische Harmonie« nur vorgegaukelt. Überraschend ist Tiedemanns Analyse zum funktionalen Verhältnis der Wortkonstruktion: »Die zentrale Motivation der beschworenen christlich-jüdischen Tradition liegt aber in der Exklusion. Sie soll vor allem dem Islam entgegengestellt werden, der keinen prägenden Einfluß auf die deutsche beziehungsweise europäische Kultur gehabt habe […]. Bei dieser Gegenüberstellung schwingt auch immer der Gegensatz von Modernität und Rückständigkeit mit, das wiederum hat historische Vorläufer.« Der Artikel ist allerdings nicht exemplarisch für die inhaltliche Linie der Zuerst! An anderen Stellen wird das antisemitisch-verschwörungsideologische Bild des »einflussreichen Juden« aufrecht erhalten und verfestigt. Im November 2013 titelte die Zuerst! etwa »Die Lobby. Wie der Zentralrat der Juden seine Interessen durchsetzt«. Ähnliches lässt sich durchaus in einer Mehrzahl der untersuchten Publikationen finden.

Einen weit schärferen Duktus pflegt das Magazin Volk in Bewegung aus dem Verlag des umtriebigen Neonazis Thorsten Heise. Die Ausgabe 3/4 2018 titelt »Die Diktatur moderner Monotheismen«. Die Deutlichkeit, mit der hier antisemitische Verschwörungsideologien ausgebreitet werden, findet anderswo kaum eine Entsprechung. Dies scheint auch der Redaktion bewusst zu sein, denn eingangs wird erwähnt, dass »wieder Wörter auf Rat des Rechtsanwaltes« gelöscht werden mussten. Schon der erste Satz des Schwerpunktartikels nimmt kein Blatt vor den Mund: »Die finale Total-Rejudaisierung gehört zum Wesen des Christentums.« Monotheismen, so der Autor Julian-Alexander von Dühring, seien grundsätzlich jüdisch geprägt, die Kirche habe sich dem Judentum unterworfen. Diese antisemitische Weltsicht zieht sich durch den gesamten Artikel, wobei die Wörter »Judentum« oder »Jude« mehrfach durch xxxx ersetzt wurden. Das liest sich dann so: »Die christlichen Zuhälter der xxxxxxxx Weltherrschaft erfüllen den xxxxxxx Plan zur Welteroberung durch Rassenvermischung eifrig.« In einer historischen NS-Publikation wäre die Formulierung wohl kaum anders ausgefallen.

Die apabiz-Publikationsreihe magazine nimmt rechte Periodika unter die Lupe, beleuchtet zentrale Diskurse und schafft damit eine Grundlage für die argumentative Auseinandersetzung.


Titelbild: Fenster von Marc Chagall im Chicago Art Institute. Der französiche Maler russisch-jüdischer Herkunft überlebte die NS-Herrschaft im Exil in den USA. Er gestaltete eine Vielzahl von Fenstern für Kirchen, Synagogen und öffentliche Gebäude in verschiedenen Ländern, wo sie ein Zeichen der jüdisch-christlichen Verständigung darstellen sollen. (flickr.com/jim forest)

  1.  In der Compact etwa ist Antisemitismus durchaus relevant, das Judentum als Religion hingegen nicht. Vgl. Kevin Culina, Jonas Fedders: Im Feindbild vereint: Zur Relevanz des Antisemitismus in der Querfront-Zeitschrift Compact, Münster 2016.