
Einhundert monitore
Liebe Leser*innen, ihr haltet die 100. (in Worten einhundertste!) Ausgabe des apabiz-Rundbriefs monitor in den Händen. Wir freuen uns über diesen Meilenstein und werfen anlässlich dieses Jubiläums einen Blick zurück.
Von Kilian Behrens
Im August 2001 erschien die erste Ausgabe. Seither berichten wir auf acht Seiten über aktuelle Arbeitsschwerpunkte und was uns sonst so unter den Nägeln brennt. Gern geben wir auch anderen Autor*innen und Projekten ein Forum.
Da es den monitor nicht im klassischen Abo gibt, seid ihr, liebe Leser*innen, sehr wahrscheinlich auch Unterstützer*innen des apabiz (oder aber ihr habt die Ausgabe in einem unserer Lieblingsbuchläden oder Kneipen gefunden. Auch das spricht für euch). Vielen Dank für euren meist jahrelangen Rückhalt. Und das Beste: Ihr werdet immer mehr. Heute wird der monitor bundesweit und zum Teil international verschickt. Zudem stehen alle bisherigen Ausgaben zum freien Download auf unserer Webseite bereit und haben es in die Mediathek der Berliner Landesbibliothek geschafft. Einhundert Ausgaben, das sind 808 Seiten (die 50. Ausgabe kam ausnahmsweise mit 16 Seiten heraus), bzw. 2.400 Gramm feinste antifaschistische Recherchen und Analysen.
Gegründet in einer Welt ohne Social Media
Aber wann erscheint der monitor eigentlich? Ehrlich gesagt immer dann wenn er fertig ist. Einen verlässlichen Rhythmus haben wir dauerhaft nicht durchhalten können. Zwischenzeitlich erschienen bis zu sechs Ausgaben im Jahr. Man könnte also denken, wir sind zuletzt etwas schreibfaul geworden. Ein Blick auf die damaligen Kommunikationswege und auch auf hinzugekommene Publikationen entkräftet eine solch infame Unterstellung jedoch schnell. Bemüht man das »Internet-Archive«, um einen Blick auf unsere Webseite in den frühen Nuller-Jahren zu werfen, sieht man dort vor allem statische Beiträge. Die monitor-Ausgaben wurden online ausschließlich als PDF veröffentlicht. Heute fast unvorstellbar: Es gab damals noch kein Social Media. Das heißt wirklich gar keins, von einigen Internetforen einmal abgesehen. Selbst »studiVZ« oder »myspace« waren noch nicht erfunden. Wir bzw. das damalige Team mussten also analog Seite um Seite vollschreiben und diese höchstselbst per Post verschicken, um euch mit unseren Inhalten zu erreichen. Folgerichtig bezeichneten wir den Rundbrief in der 50. Ausgabe als »das Sprachrohr des apabiz«.
Es gab damals noch kein Social Media. Das heißt wirklich gar keins, von einigen Internetforen einmal abgesehen. Selbst »studiVZ« oder »myspace« waren noch nicht erfunden.
Ab 2007 kam dann bis ins Jahr 2021 der Schattenbericht »Berliner Zustände« als Publikation hinzu, die wir zusammen mit der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin herausgaben und für die zahlreiche Berliner Projekte Texte beisteuerten. Seit 2010 berichten wir auf unserem Blog »Berlin rechtsaußen« über die lokale extreme Rechte und seit 2012 sind wir in das Netzwerk »NSU-Watch« eingebunden, dessen Texte dankenswerter Weise auch immer wieder im monitor erscheinen. Mit dem Online-Atlas »Rechtes Land« versuchten wir uns zwischenzeitlich verstärkt im Bereich des Datenjournalismus. Alles selbstverständlich begleitet durch diverse Social-Media-Kanäle und eine seit 2016 überarbeitete Webseite (da müssen wir wohl mal wieder ran).
2018 hat der monitor ein Geschwisterkind namens »magazine« bekommen. Hier analysieren wir überblicksartig die rechte publizistische Landschaft. Damals überlegten wir, das Format als Rubrik in den monitor zu integrieren, entschieden uns aber letztlich für eine eigenständige Reihe, um die Sichtbarkeit der Texte zu erhöhen. Der monitor ist also längst nicht mehr unser einziges »Sprachrohr«. »Achtseitige Visitenkarte« (ebenfalls Nr. 50) trifft es da schon eher, zumindest für die Fans gedruckter Analysen unter euch. Fraglos stellt unser Rundbrief eine enorme Kontinuität dar und wird auch zukünftig ein wichtiger Ort sein, um über unsere Arbeit zu berichten und das ganz zeitgemäß analog und digital.
Terror, Proteste und Meldungen aus dem Archiv
Thematisch spiegelt der monitor meist die Arbeitsschwerpunkte unseres Teams wieder. Aktuelle Entwicklungen extrem rechter Strukturen und Ideologien bilden die inhaltliche Klammer. Spielte RechtsRock in den ersten 50 Ausgaben eine große Rolle, ist dies aktuell kaum der Fall. Auch wurde in den ersten Ausgaben erstaunlich viel über Reisen und Vorträge des apabiz-Teams berichtet. Entsprechende Inhalte findet ihr heute eher bei uns auf Insta, Bluesky und Facebook.
In den vergangenen Jahren setzten sich viele Artikel mit dem Themenbereich fundamentalistischer Christ*innen und Antifeminismus auseinander. Die Analyse rechten Terrors begleitet uns spätestens seit der Selbstenttarnung des NSU 2011 und findet seither regelmäßig Eingang in den monitor. Wobei bereits in der Erstausgabe unseres Rundbriefs von »drei gesuchten Bombenbastlern aus Jena« zu lesen war. Diesem Umstand widmeten wir uns retrospektiv 2021 (Nr. 92). Immer wieder beschäftigte uns das extrem rechte Demonstrationsgeschehen etwa in Form von HoGeSa (Nr. 67), Pegida (Nr. 68) oder im Hinblick auf die Wechselwirkung von Protesten und den Erfolgen der AfD (Nr. 81). Als »monitor dossier« erschienen statistische und qualitative Jahresauswertungen des extrem rechten Protestgeschehens der Jahre 2017 und 2018 in Berlin. Seit einigen Jahren berichten wir verstärkt über Projekte aus unserem Archivalltag, wie etwa große Digitalisierungsvorhaben (Nr. 95). Gemeinsam mit anderen antifaschistischen Archiven positionierten wir uns zuletzt zu den Plänen der Ampel-Regierung eines mal »Archiv zum Rechtsterrorismus« mal »Themenportal rechte Gewalt« genannten Projekts und erklärten, warum wir für eine Kooperation nicht zur Verfügung stehen.
»Was soll auf das Cover?«
Auch optisch hat sich seit der ersten Ausgabe einiges getan. Anfangs war der Aufbau noch sehr unterschiedlich und etwas chaotisch, später kristallisierte sich die heutige Form mit meist zwei Artikeln, einer Rezension sowie den Kategorien »Kurzmeldungen« und »Neu im Archiv« heraus. Im Dezember 2017 erschien der monitor nach 79 Ausgaben erstmals in Farbe, inklusive überarbeitetem Layout und neuem Titel-Schriftzug. Generell ist das mit der Gestaltung so eine Sache, vor allem wenn es um Fotos geht. Andere antifaschistische Publikationen werden die Probleme kennen. Regelmäßig beschäftigt uns die Frage: Was soll auf das Cover? Überwiegende – nicht verschriftlichte und wiederholt diskutierte – Blattlinie ist: »Keine Fotos von Nazis auf die erste Seite!« So soll vermieden werden, extrem rechte Bildsprache unnötig zu reproduzieren. Und mal ehrlich: Titelseiten mit fiesen Nazis laden auch nicht gerade zum Lesen ein. Bilder von antifaschistischen Protesten haben aber auch so ihre Tücken. Meist sind die Aktivist*innen einigermaßen kamerascheu. Und so gibt es vor allem eins: Bilder von Transparenten und selbstgebastelten Schildern. Also Fotos auf denen wiederum ein Text steht. Mit anderen Worten steht unsere Layouterin regelmäßig vor folgendem Entwurf: Überschrift, Foto von Schild mit Text und anschließend ein Text. Irgendwie klappt es dann aber meistens doch.
Überwiegende – nicht verschriftlichte und wiederholt diskutierte – Blattlinie ist: »Keine Fotos von Nazis auf die erste Seite!«
Glücklich ist natürlich, wer talentierte Zeichner*innen in seinem Team weiß (Beste Grüße an dieser Stelle an unsere Freund*innen von der LOTTA. Da kann man direkt neidisch werden). Wir versuchen es in den letzten Jahren mit assoziativen Fotomotiven. Das klappt mal besser und mal schlechter. Wie genau es kam, dass 2019 drei von vier monitor-Ausgaben mit Aufnahmen unterschiedlichster Häuserfassaden bebildert wurden, ist uns bis heute schleierhaft.
Aber auch Stockfotos aus großen Bilddatenbanken sind nicht immer der Ausweg. Wer Lust hat, schaut mal, wo der Gartenzwerg, der die Titelseite der 81. Ausgabe schmückt, schon überall erschienen ist. In Ausgabe 98 haben wir erstmals einen KI-Bildgenerator bemüht. Allerdings erst auf Seite 4. Wirklich überzeugt hat es – zumindest den Autor dieses Textes – aber bisher nicht. Und so wird die Frage des Titelbildes wohl auch zukünftig für Gesprächsstoff in der Redaktion sorgen.
Schreibt’s mal in die Kommentare
Bei allen Veränderungen wird der apabiz-typische Mix aus Analysen aktueller Phänomene der extremen Rechten und dem archivgestützten »Blick zurück« auch zukünftig die Seiten des monitors füllen. Mit ziemlicher Sicherheit werden wir leider auch weiterhin unsere selbst gesetzten Deadlines reißen. Aber wenn dann wieder eine Ausgabe fertig ist, erfahrt ihr es als erstes. Dabei freuen wir uns übrigens sehr über Feedback. Vielen Dank auch an der Stelle nochmal an alle, die bei unserer Umfrage im letzten Jahr mitgemacht haben – das hat uns sehr geholfen. Gern könnt ihr uns weiterhin Briefe oder Mails schicken oder ihr kommentiert fleißig die Beiträge auf unserer Instagram-Seite. So und nun aber Schluss mit dem Text im monitor über den monitor. Wie wäre es dazu passend eigentlich mit einem Bild von ganz vielen Monitoren? Das wird eine spannende Endredaktion.