Queerfeindlichkeit in der extrem rechten Publizistik – Teil 2

Die extreme Rechte hat wenig übrig für vielfältige Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierungen. Sie spricht sich offen gegen die Selbstbestimmung von Queers aus. Mit der Diskussion um das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) wird auch die Transidentität vermehrt verhandelt. Welchen Widerhall  queer- und transfeindliche Narrative in der Publizistik der extremen Rechten finden, untersuchen wir in dieser Ausgabe. In die Betrachtung eingeflossen sind die 2022 und 2023 erschienenen Ausgaben (und Sonderhefte) der Zeitschriften Compact, Junge Freiheit, N.S. Heute, Zuerst!, Sezession und Deutsche Stimme.

Von Kilian Behrens, Mika Pérez Duarte, Lea Lölhöffel, Vera Henßler, Patrick Schwarz

Teil 1 des Artikels »Queerfeindlichkeit in der rechten Publizistik« ist hier nachzulesen. Der Artikel erscheint im Rahmen der apabiz-Publikationsreihe magazine. Diese nimmt rechte Periodika unter die Lupe, beleuchtet zentrale Diskurse und schafft damit eine Grundlage für die argumentative Auseinandersetzung.

Diskursnähe: Alice Schwarzer

In der Debatte zur geschlechtlichen Selbstbestimmung von trans und inter Menschen wurden in den vergangenen Jahren Beiträge von Feminist*innen wie beispielsweise Alice Schwarzer rege diskutiert. Der rechten Publizistik dient Schwarzer vielfach als positive Referenz, Autor*innen wie Sophie Fuchs (Compact), Ellen Kositza (Sezession) oder Dietmar Mehrens (Junge Freiheit) greifen die in ihren Schriften dargelegten Positionen auf. Im Jahr 2022 gab Schwarzer gemeinsam mit der ebenfalls in der Zeitschrift EMMA publizierenden Autorin Chantal Louis die »Streitschrift Transsexualität« heraus, in der vor einem »aktuellen Trend« gewarnt wird, auf geschlechtliche Rollenirritationen »zu schnell mit schwerwiegenden Hormonbehandlungen und Operationen zu reagieren«. Dem Buch wird von Expert*innen bescheinigt, falsche Fakten zu verbreiten und transfeindliche Narrative zu unterfüttern.[1]

Fuchs rezensiert in der Compact das Buch überwiegend wohlwollend, kommt jedoch zu einem elementar anderen Ergebnis. Sie nimmt positiv Bezug auf die Beiträge von bekannten und teilweise umstrittenen Expert*innen wie beispielsweise den Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie Alexander Korte oder die Initiative Posttrans. (06/2022) Schwarzer selbst habe zwar die Gefahren der »Transideologie« erkannt, propagiere aber eine eigene »familienzersetzende Ideologie«, indem sie für eine Zerstörung bestehender Rollenbilder eintrete. Für Fuchs verfolgten sowohl queere Menschen und »Transsexuelle« (die es, so Fuchs, nur innerhalb eines binären Modells gäbe) als auch Feminist*innen, die Transgeschlechtlichkeit ablehnen, dasselbe Ziel: die Abschaffung der Familie. »In beiden Fällen würde es nur noch eine amorphe Masse aus gegenderten Menschen ohne festgelegte Geschlechtszugehörigkeit geben.« Diese Uneindeutigkeiten sind für die Autorin unerträglich. Sie agitiert so mit Unwissenheit und Ängsten von Eltern und verfälscht dramatisierend vermeintliche Folgen des Selbstbestimmungsgesetzes, wonach sich Kinder »ohne die Zustimmung der Eltern unters Messer begeben« könnten.

Religion und Esoterik

In einigen Artikeln wird die LGBTIQ*-Bewegung explizit als Gegenspielerin des Christentums gesehen. Der in der Compact erschienene Text »Die neue Regenbogenreligion« des Theologen und Autoren Phil Mehrens (u.a. Compact, eigentümlich frei) verweist auf die esoterisch-spirituelle Überschneidung der New-Age-Bewegung mit dem LGBTIQ* Liberation Movement in Kalifornien. (11/2022) Sein Fokus liegt auf der Vereinnahmung des Regenbogens als vormals christlichem Symbol, der Religionslosigkeit sowie der Entgrenzung von Tradition, Familie und Nation. Mit einer Portion NS-Relativierung und Täter-Opfer-Umkehr provoziert Mehrens: »Regenbogenflaggen vor Rathäusern, auf dem Bundestag, vor Polizeirevieren, bei Sportveranstaltungen: Das Zeichen ist inzwischen so allgegenwärtig wie 1933 das Hakenkreuz. Und wie damals laufen die Massen begeistert hinterdrein und erhoffen die Erlösung. Damals NSDAP – heute LGBTQ. Natürlich ist das nicht dasselbe.« Die Quintessenz seines Artikels: Die esoterisch-schwule Verbindung in der kalifornischen Geschichte bezeuge eine »marxistische Umsturzlust«. Es wird deutlich, dass es dem Autor um einen Kulturkampf geht, weitaus mehr als eine Kritik an Esoterik.

Einen ähnlichen Zusammenhang erörtert in der Jungen Freiheit Dietmar Mehrens. Der New-Age-Kult sei ein aktuelles Beispiel der »gegenwärtigen Verfallsgeschichte«. Obgleich der Einfluss des heidnischen New-Age-Denkens auf den »ökofeministisch-geschlechtsrevisionistischen Komplex« (sic!) deren Vertreter*innen vielfach nicht bewusst sei, strahle der »esoterisch-ideologische Nukleus« bis zu den Rändern der Bewegung aus, was »die jüngsten Triumphe des New-Age-Kults auf den Kampfplätzen Planetrettung und Geschlechtsidentität« verdeutlichen würden. (26/2023)

»Transhumanismus« und »Great Reset«

Ein in den vergangenen Jahren vermehrt zu findendes Narrativ innerhalb der extremen Rechten ist die Warnung vor dem Transhumanismus. Drastisch formuliert das Stefan Magnet in einem Video des Online-Senders AUF1: »Die Ideologie des Transhumanismus schickt sich an, die Spezies Mensch auszulöschen.« Die »Globalisten und Transhumanisten« führten »einen Krieg, wie er in der gesamten Geschichte der Menschheit noch nie stattgefunden hat. Ein Krieg nämlich gegen den Menschen an sich. Er soll gen-verändert, adaptiert, mit Nanotechnologie durchsetzt und vom Computer aus gesteuert werden. Es ist ein allumfassender Kampf, an dessen Ende entweder die Menschheit überlebt oder für immer untergeht.«[2] Der Begriff des Transhumanismus steht für eine recht heterogene Bewegung, die den menschlichen Körper durch technische Entwicklungen verändern möchte.Vgl. dazu etwa die kurzen Einführungstexte der Technikanthropologin Anna Puzio: https://www.anna-puzio.com/general-7-1 [14.01.2024]. Die breit geführte Debatte um die Technologisierung des menschlichen Körpers und damit zusammenhängende ethische Fragestellungen wird von der extremen Rechten aufgegriffen und dafür genutzt, ein »Abgrenzungsnarrativ« zu schaffen, auf das vielfach mit einer Widerstandsrhetorik reagiert wird, so der Politikwissenschaftler und Publizist Markus Linden.[3] Verschiedene Themensetzungen wie die Kampagnen gegen das Impfen, geschlechterpolitische Fragestellungen oder Diskurse des christlichen Fundamentalismus können so unter ein gemeinsames Narrativ gestellt werden, wobei deutlich wird, dass die »Bindungswirkung […] von der Friedenspädagogik bis hin zur völkisch-aggressiven, imperialistischen und theokratischen Agenda« reicht. Das verschwörungsideologisch und bisweilen antisemitisch aufgeladene Narrativ des Transhumanismus dient der extremen Rechten »als Vehikel zur Beschneidung individueller Rechte zugunsten kollektivistischer Programme«.

Die These, dass der Transhumanismus und abwertend ausgedrückt der »Transgenderismus« wesensverwandt seien, wird in der Compact von verschiedenen Autoren aufgegriffen. Jürgen Elsässer äußert sich hierzu im Editorial unter dem Titel »Transhuman und transgender«: »Die Gender-Ideologie treibt den Transhumanismus voran. Wer behauptet, es gebe keine biologische Realität und jeder könne sich nach Gusto unter zig Geschlechtern eines aussuchen, der wird auch nichts dagegen haben, Körper und Hirn entsprechend anzupassen. Ist der angehängte Penis nicht nur eine tote Wurst, solange nicht der Chip im Schädel die entsprechenden Hormone und Phantasien ausspuckt?« (08/2021) Wassilij A. Schipkow, Autor und Direktor einer »Russischen Expertenschule am Staatlichen Moskauer Institut für Internationale Beziehungen« und Herausgeber eines Buches zum Thema, in dem auch ein Beitrag des russischen Ideologen Alexander Dugin zum Transhumanismus zu finden ist, führt im selben Heft aus, dass »die Politik des Multikulturalismus und der damit verbundene Postgenderismus zu einem Mechanismus für die praktische Umsetzung transhumanistischer Ideen geworden« seien. Jonas Glaser warnt vor der angeblichen Zerstörung der Zweigeschlechtlichkeit und der Entwurzelung der Menschen. Transhumanismus und »Transgenderismus« überwänden die Biologie. (05/2023) Die Autor*innen der Compact verstehen »Transgenderismus« also als ein Vehikel zur Verbreitung transhumanistischer Ideen und stehen damit keinesfalls alleine da. Mit Blick auf Geschlechtsangleichungen verweist Ellen Kositza in der Sezession auf den Transhumanismus. Transitionen seien als Unterkapitel des Transhumanismus zu verstehen: »Die natürliche Begrenztheit des Menschen ist aufgehoben.«

Ein Alptraum der Rechten: Die feministische Theoretikerin und Biologin Donna Haraway plädierte in ihren wissenschaftlich-utopischen Schriften bereits in den 1980er Jahren dafür, in Zeiten der Technisierung die Grenzen zwischen Mann und Frau sowie Mensch und Maschine neu zu verhandeln.

Transfeindlichkeit und rechte Narrative

Transfeindliche Beiträge stehen in den extrem rechten Medien oft nicht isoliert, sondern verbinden sich mit zentralen Ideologemen des extrem rechten Diskurses. Zwei Beispiele hierfür sind die Beurteilung der Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien als »Propagandaorgane« sowie das Thema Migration. In der Zuerst! erschien in den letzten zwei Jahren kaum ein Monatsheft, das ohne queerfeindliche Beiträge auskam, darunter Essays, Berichte, Editorials und Kurzmeldungen. In einem Interview malt der AfD-Politiker Martin Renner das Schreckgespenst an die Wand, das Jugendmedienangebot »funk« von ARD und ZDF könne »bei den adressierten Kindern und Jugendlichen mit einiger Wahrscheinlichkeit zu psychologischen Entwicklungsstörungen führen«. (10/2022) Dass der staatliche Rundfunk die Gesellschaft umgestalten wolle, vermutet in derselben Ausgabe das wiederkehrende »Zuerst!«-Autoren-Trio aus Hartmut Lieger, Christian Schöps und Ludwig Kranzler. Geschlechtergerechte Sprache gehöre »zum linken Gesinnungsprogramm, das dem Staatsfunk aus allen Poren dringt«. Sie argwöhnen, dass die Rundfunkräte die ganze Gesellschaft widerspiegelten und monierten, dass dem MDR-Rundfunkrat Vertreter »der Schwulen- und Trans-Lobby« angehörten. Die Selbstorganisation homosexueller Männer und von trans Menschen wird hier zu einem einflussreichen Machtzentrum (»Lobby«) herbei stilisiert, obwohl queere Menschen ein hohes Maß an gesellschaftlicher Ausgrenzung erfahren.

Überschneidungen transfeindlicher Motive zum rassistischen Diskurs sind keine Seltenheit. Explizit wird dies bei der Autorin Maria Schneider in der Deutschen Stimme. Sie beklagt zunächst eine vermeintliche »Kolonialisierung Deutschlands durch muslimische und afro-arabische Heerscharen«, in deren Folge »deutsche Männer zunehmend verweiblichen und viele sogar den radikalen Entschluss einer Geschlechtsumwandlung fassen« würden. (07-08/2023) Der Begriff »Heerschar« soll den Eindruck erwecken, es handele sich bei Migration um einen kriegerischen Akt. Wie genau Migration und die angebliche »Verweiblichung deutscher Männer« zusammenhängen scheint keiner Erläuterung zu bedürfen. Offenbar kann Schneider davon ausgehen, dass die DS-Leser*innen ihre kruden Vorstellungen bereits teilen. Einmal mehr werden medizinische Behandlungen, um soziales und biologisches Geschlecht einander anzugleichen und trans Personen in der Folge ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, als illegitime Entscheidung im Sinne eines dekadenten Zeitgeistes herabgewürdigt. In das von Schneider in schwarz und weiß gezeichnete Bild kultureller Unterschiede passt ihre stereotype Vorstellung, dass Migrant*innen offenbar niemals queer seien. Denn neben den »deutschen Männern« seien vor allem »deutsche (Anm. d. Red.: Vorhebung im Original) Mädchen das Hauptziel der Transideologie«. »Im Gegensatz zu Migrantenkindern schützen ihre Mütter sie selten vor der Selbstverstümmelung, da sie selbst korrumpiert sind und Karriere, Klimareligion oder Konformismus über das Kindeswohl zu stellen scheinen.«

Resümierend kann festgehalten werden, dass transfeindliche Narrative in den extrem rechten Medien auf langjährigen Ideologemen und Narrativen zu Geschlechterfragen und der Bedrohung einer vermeintlich natürlichen, binären (Geschlechter-) Ordnung aufbauen. Sie sind eingebettet in die rechte Widerstandsrhetorik, die sich ›am Establishment‹, dem grünen Milieu und dessen originären Themensetzungen (Ökologie, Migrationspolitik, Geschlechtervielfalt usw.) sowie den öffentlich-rechtlichen Medien abarbeitet, vielfach ohne dabei auf die bestehenden Argumente in der Diskussion Rücksicht zu nehmen. Queerfeindlichkeit fokussiert vordergründig auf die Narrative um vermeintlichen Kinderschutz und wendet sich explizit gegen die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen sowie queeren Eltern und Eheleuten. Die Verwirklichung der Menschenrechte und vor allem der geschlechtlichen Selbstbestimmung für trans Menschen werden als ideologiegesteuertes Projekt begriffen, das sich auf die gesamte Gesellschaft auswirke. Aus extrem rechter Sicht geht es nicht um individuelle Selbstbestimmung, sondern um eine Bedrohung der menschlichen Existenz. Mitunter genügen die in den vergangenen Jahren etablierten Kampfbegriffe wie »Genderwahn«, um sich zu bestehenden Debatten wie etwa zum Selbstbestimmungsgesetz herablassend und vielfach selbstreferenziell zu äußern und falsche Vorannahmen weiter zu verbreiten.

  1.  Vgl. etwa »9 Kritikpunkte an Alice Schwarzers gefährlichen und falschen Thesen zu »Transsexualität«, online unter https://www.lsvd.de/de/ct/6772-alice-schwarzer-transsexualitaet [22.01.2024]
  2.  »Transhumanismus: Das Ende der Menschheit« Video vom 30.06.2022 auf Auf1 TV [18.01.2024].
  3.  Markus Linden: »Transhumanismus« als Verschwörungserzählung, https://gegneranalyse.de/markus-linden-transhumanismus-als-verschwoerungserzaehlung/ [14.01.2024].