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Europa und die Rechte – Teil 1

Nationalismus – ob er sich patriotisch, nationalkonservativ oder völkisch nennt – ist zentrales ideologiestiftendes Element der extremen Rechten und ein »starkes Deutschland« damit spektrenübergreifend politisches Ziel. Doch wie verhält es sich mit Europa? In ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Europäischen Union (EU) ist sich die extrem rechte Publizistik einig. Doch was sind ihre geopolitischen Konzepte und welche Rolle wird Deutschland darin zugedacht?

von Kilian Behrens, Elli Diehl, Vera Henßler, Frank Metzger, Eike Sanders und Patrick Schwarz

Hinsichtlich der Idee von Europa ist der Fokus extrem rechter Publikationen stark auf den Nationalstaat gerichtet. Sehr präsent ist hierbei das Konzept eines »Europas der Vaterländer« und damit die Idee der Zusammenarbeit europäischer Nationalstaaten. Mit reaktionärer Stoßrichtung geht es darum, die durch vermeintliche Gefahren von außen bedrohten und daher unbedingt zu verteidigenden Kulturen, Traditionen und Werte des »alten Europa« beziehungsweise des »christlichen Abendlandes« zu verteidigen. So besteht Einigkeit, die Außengrenzen schützen und Europa abschotten zu wollen – in erster Linie gegen Zuwanderung und »den Islam«. Ob dieser angestrebte europäische Machtblock als Gegenpol zum »angloamerikanischen Imperialismus« verstanden und sich dabei verstärkt positiv auf Russland und andere osteuropäische Staaten beziehen soll, oder ob er sich in alter antikommunistischer Tradition sogar gegen Russland richtet, wird unterschiedlich beantwortet. Entsprechend unterscheidet sich auch die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik. Während sich ein kleiner Teil der untersuchten Publikationen klar zu wirtschaftlichen Beziehungen mit den USA bekennt, stehen bei anderen gerade die transatlantischen Waren- und Fiskalflüsse in der Kritik, bei gleichzeitiger Forderung einer Öffnung nach Russland.

In der vorliegenden Ausgabe von magazine haben wir die rechten Europakonzepte und -politiken acht unterschiedlicher extrem rechter Periodika genauer untersucht und Unterschiede, Parallelen oder auch die nicht ausbleibenden Widersprüche herausgearbeitet. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf der europäischen Vernetzung – denn diese ist nicht nur für die politischen Akteur*innen der extremen Rechten, sondern auch auf publizistischer Ebene von Bedeutung und lässt sich hier an Berichterstattung, Autor*innen und Interviewpartner*innen ablesen.

Vision Europa

Die Sezession als neurechtes Theorieorgan beschäftigte sich 2018 in einer Schwerpunktausgabe mit dem Titel »Nation und Europa« mit verschiedenen Europakonzeptionen, Aspekten europäischer Geschichte (1. Weltkrieg, Saarland) sowie der Migration nach Europa. (86/2018) Konzeptionell ist es einmal mehr Stammautor Benedikt Kaiser, der seine bereits 2016 an gleicher Stelle formulierten Überlegungen noch einmal darlegt. Schon damals, kurz nach dem Brexit-Votum, monierte Kaiser die Zersplitterung der europäischen Rechten und den Mangel an Visionen für ein rechtes Europa. Eine europäische Vision, so Kaiser, sei jedoch notwendig, denn der Nationalstaat allein biete heute »weder Schutz vor den Failed states an den Grenzen Europas, noch Sicherheit vor den Verwerfungen des Weltmarktes, noch kann ein einzelner Nationalstaat in Europa die Digitalisierung beherrschen oder weitreichende infrastrukturelle, politische oder wirtschaftliche Gegenmodelle zu China oder den USA aufbauen«. (86/2018) Historische rechte Europakonzeptionen der 1930er Jahre, die auf der Suche waren nach einem dritten Weg zwischen »Bolschewismus« und »Amerikanismus« gelte es heute mit einem »zeitgemäßem Antikapitalismus und Antiimperialismus« zu aktualisieren. Der zu schaffende europäische Mythos müsse dabei zukunftsgerichtet sein, denn eine für alle europäischen Nationen »akzeptable Geschichtsschreibung« sei schlicht unmöglich. »Nationale Leidenschaften, […] etwa in Ostmitteleuropa und Südosteuropa«, müssten zugunsten der europäischen Idee gezügelt werden. »Gesucht wird: die konservative Revolution europäischer Dimension.« Was genau das einigende Moment sein könnte, bleibt wie so oft allerdings vage: »Dieser Mythos könnte beispielsweise durch gemeinsame Kämpfe gegen ein ›Außen‹ oder die Bewußtseinsentwicklung durch manifeste Krisenerlebnisse entstehen.«

Eberhard Straub formuliert im selben Schwerpunktheft analoge Gedanken und bedient dabei klassisch neurechte Narrative (Aufklärung vs. Altes Europa, Deutschland und Europa als Schuldgemeinschaft). Straub beklagt, dass der geistige Gedanke Europas, der vor dem 20. Jahrhundert so selbstverständlich gewesen sei »wie der Baum grün ist«, in den letzten hundert Jahren insbesondere durch den Einfluss des Westens verloren gegangen sei und heute nur noch als »Schuldgemeinschaft« existiere. Mit Blick auf den 1. Weltkrieg schafft Straub eine ganz eigene Geschichtsschreibung, die ihm schließlich als Erklärungsansatz dafür dient, warum es heute an europäischen Visionen mangele. Der Westen sei »im Großen Krieg nach 1914 als polemisch-ideologische Waffe gegen Deutschland eingesetzt worden«. Schlagartig hätten sich so »sämtliche verbindlichen Übereinkünfte über den guten Geschmack, über Kultur, Recht und Krieg« aufgelöst. Deutschland und seine Verbündeten seien als »Feinde und Kriegsverbrecher kriminalisiert« worden, was Streitereien über Kriegsschuld und mögliche Vergehen erneut Tür und Tor geöffnet habe. Heute seien die »europäischen Wurzeln« verdorrt, stattdessen dominiere die »Anrufung« der Aufklärung. Das heute in Europa vorherrschende Versprechen der Erfüllung materieller Bedürfnisse (statt geistiger Vision) könne die entstandenen Begehrlichkeiten jedoch kaum befriedigen, wobei sich Straub mit Kaiser einig sein dürfte.

Als wohl »kontroverseste These« wird die »Europäische Frage von rechts« von Philip Stein, Gründer des Jungeuropa-Verlags, Burschenschafter und Aktivist der Neuen Rechten, in der Arcadi bezeichnet. (4/2018) Es brauche neue »Europakonzeptionen von rechts«. Das Magazin, das vor allem das identitäre Spektrum sowie die AfD-Jugend anspricht, hat einen ausgeprägten europäischen Fokus. So formuliert etwa Franz Rheinberger in der Erstausgabe, es »muss entgegen eventueller historischer Skepsis ein gemeinsames Europa unser Ziel sein. Denn Europa kann nur vereint überleben, schließlich wird es auch gemeinsam untergehen. Kurzum: Europa ist unser Schicksal.« (1/2017) Dabei ist die »triple appartenance«-Vorstellung der Identitären grundlegend, ein »Europa der Völker« mit regionaler, nationaler und europäischer Identität, jenseits eines »Europas der Vaterländer«. Damit geraten wie bereits bei Kaiser in der Sezession auch rechte Staatsoberhäupter wie Orban für ihren Fokus auf nationalstaatliches Handeln in die Kritik der Arcadi. Der EU wird eine verfehlte Migrations- und Wirtschaftspolitik sowie die Aufweichung nationaler und regionaler Identität vorgeworfen. Dem wird eine »neue, jugendliche pro-europäische Haltung« entgegengesetzt, wenn z.B. über Jordan Bardella, den 23-jährigen Spitzenkandidaten des französischen Rassemblement National (ehemals Front National) berichtet wird. (2/2019) Geopolitisch müsse man sich gegen die Großmächte Russland, China und die USA behaupten. Zudem brauche es einen gemeinsamen Grenzschutz gegen die Migration nach Europa. Nils Wegner, der auch für die Sezession schreibt, spricht von einem »Verbund freier Nationen in einem freien europäischen Reich«. (3/2019) Unklar bleibt, auf welcher politischen Legitimation ein »identitäres Europa« agiert. Eine mögliche Variante bietet die Buchbesprechung von Wolfgang Bendels Text »Aristokratie. Eine Streitschrift«, in der festgestellt wird, »wie mutig der Jungeuropa-Verlag agiert und hier die Demokratie zur Diskussion stellt«. (4/2018) Der Autor stelle demnach die Aristokratie als Gegenmodell zur Demokratie auf und hofft, elitär, wie sich die sogenannte Neue Rechte auch sonst versteht, auf eine »Herrschaft der Besten«.

Als wohl »kontroverseste These« wird die »Europäische Frage von rechts« von Philip Stein, Gründer des Jungeuropa-Verlags, Burschenschafter und Aktivist der Neuen Rechten, in der Arcadi bezeichnet.

In der nationalkonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) wird in unzähligen Artikeln eine angeblich chaotische, Deutschland gefährdende Zuwanderungs- und Asylpolitik beklagt. Europa habe daran Schuld und Deutschland versage, anstatt sich zu behaupten und die Grenzen zu schützen. Während dieses Narrativ von allen extrem rechten Periodika geteilt wird, gibt es in der JF auch einige Artikel, die weit über die Kritik an der jetzigen »Merkel-Regierung« und der Brüsseler Politik hinaus weisen, indem sie geopolitisch, kulturell und historisch argumentieren. Europakonzeptionen werden von einem durchgängig nationalistischen Standpunkt aus entwickelt. JF-Stammautor Thorsten Hinz sieht es als gesetzt, dass Deutschland als in der Mitte Europas gelegenes Land eine Führungsnation des europäischen Großraumes sein müsse. (8/2019) Es brauche ein Bewusstsein für die Raumhoheit, ohne dass dabei nationalstaatliche Besonderheiten und ein gemeinsames Verständnis von Europa als Schicksalsgemeinschaft verloren gingen. Sich auf Carl Schmitts Großraumtheorie Ende der 1930er Jahre beziehend sieht Hinz die Gefahr, dass die Klein- und Mittelstaaten zwischen den großen Imperialismen (USA vs. Sowjetunion/Russland) zerrieben würden. Ein Großraum solle Schutz bieten, der »die Selbständigkeit der ›staatlich organisierten Völker‹ bestehen läßt und ihre Freiheit und Individualität sichert, indem er sie vor dem Übergriff raumfremder Mächte – wozu auch die Migrationsbewegungen gehören – schützt«. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sei dieses Konzept jedoch in Frage gestellt worden, und zu allem Unglück habe das wiedervereinigte Deutschland sich in vorauseilendem Gehorsam nach Europa orientiert, aber nicht um die ihm zugeborene Vormachtstellung einzunehmen, sondern um möglichst viel Verantwortung abzugeben und eben keine Macht auszuüben: »Was von Deutschland in den Großraum hineinstrahlt, sind blanke Machtangst und der Wunsch, sich aufzulösen.« Hinz‘ Fazit fällt pessimistisch aus: »Auf allen Überlegungen scheint damit ein ›Umsonst‹ und ›Zu spät!‹ zu lasten. Selbst wenn es gelänge, die europäischen Länder zu einem wirkungsmächtigen Großraum zusammenzuführen, würden sich Zentrifugalkräfte ganz anderer Art regen. Ein gemeinsamer politischer Raum benötigt ein bestimmtes Maß an Kohärenz, die sich aus historischen, kulturellen und ähnlichen Gemeinsamkeiten ergibt. Durch die Zuwanderung wird Europa jedoch zunehmend fragmentiert und tribalisiert, und neue Bruchlinien tun sich auf. Außerdem verliert Europa, das im Westen sukzessive von außereuropäischen Kulturen besiedelt und geprägt wird, seine Substanz und seinen Sinn. Da Brüssel diesen Prozeß eher beschleunigt als verlangsamt, müssen Optionen jenseits der EU in Erwägung gezogen werden.«

In N.S. Heute, einem Hochglanzmagazin von und für die militante Neonaziszene, sind EU-Kritik sowie Europavorstellungen von Antisemitismus und biologistischem Rassismus, völkischer Ideologie, Geschichtsrevisionismus sowie Verschwörungsideologien und Anti-Amerikanismus durchzogen. Eine Bedrohung der »weißen Völker« Europas stellen wahlweise der Islam, Sinti*zze und Rom*nja, die USA, China oder andere »Drahtzieher einer ›New World Order‹« dar. Dem gegenüber werden »die europäischen Völker als Lebenskampfgemeinschaft« (10/2018) begriffen und in »totaler Feindschaft zu dem lebens- und völkerfeindlichen Konstrukt der Europäischen Union« (9/2018) gesehen. Der Gastautor und Holocaustleugner Axel Schlimper träumt von einem »Ethnostaat Europa«, »einer staatlichen Ordnungsmacht, welche den Bestand der weißen Rasse garantiert«, »ausschließlich von weißen Menschen bewohnt«, mit »geschlossenen Grenzen« und ohne den »Verderbnissen der Demokratur«. (6/2017) Wie weitreichend ein solcher »Ethnostaat Europa« sein soll, wird nicht klar. Es wäre »ein geostrategischer Verbund denkbar, welcher über die Mittelgebirgslagen Deutschlands, Österreichs, der Slowakei und Ungarns bis in die Ukraine hineinreicht«, so Schlimper. Es könnte auch eine »Kontinentalmacht unter maßgeblich deutscher Beteiligung, wenn nicht gar deutscher Führung« sein. Sascha Krolzig, Herausgeber der N.S. Heute, betont, dass es sich bei seiner Vorstellung von einem »Europa der Vaterländer« um »souveräne Volksstaaten« handelt, »die sich gegenseitig ihre Freiheit und politische Unabhängigkeit garantieren und die sich nicht in die Gestaltung der innerstaatlichen Verhältnisse anderer Länder einmischen«. (7/2017) Ein weiterer Autor, der sich auf dieses Konzept bezieht ist Arnulf Brahm, Verfasser eines Buches über den »drohenden Völkermord an den Weißen in Südafrika«. Mehrfach schreibt Brahm in der N.S. Heute zum Thema und plädiert für einen »Volksstaat« innerhalb eines »Europa der Vaterländer«. (3/2017) Dieser mache »das Volk […] zum Mittelpunkt seiner Handlungen«, im Gegensatz zum Nationalstaat, welcher den »Staat als Mittelpunkt« betrachtet und damit scheinbar das »Recht hat sich über das Volk zu stellen«. Es solle »keine einseitige Bindung an einen bereits großen und mächtigen Staat« geben, eine »möglichst autarke Wirtschaft« und Aufrüstung werden als notwendig erachtet. (5/2017) Referenzen auf die nationalsozialistische »Volkstumspolitik« werden deutlich, wenn es weiter heißt: »Deutschland endet nicht an künstlichen Staatsgrenzen«, sondern »dort, wo kein deutsches Wort mehr zu vernehmen ist, wo es keine deutschen Schulen mehr gibt. Die Grenze unseres Staates ist dort, wo die Volkstumsgrenze eine echte Grenze zieht.«


Extrem rechte Europakonzepte

Die Ablehnung der EU wird mittlerweile von allen europäischen extrem rechten Milieus geteilt. Die Vorstellungen, was dem entgegenzusetzen sei, unterscheiden sich jedoch und sind oft nicht genauer umrissen. Der Begriff Europa der Vaterländer, einst von dem französischen Präsidenten Charles de Gaulle geprägt, findet sich sowohl in neonazistischen Kreisen, etwa Teilen der NPD, als auch in der AfD-Programmatik. Die NPD plädiert auf ihrer Homepage für eine »multipolare Weltordnung der freien Entfaltung souveräner Völker«, eine stärkere Kooperation mit Ländern wie Frankreich, Russland und China sowie eine Ablösung der transatlantischen Beziehungen zur USA. Auch für die AfD steht der Begriff für die Stärkung nationaler Kompetenzen und die Begrenzung Europas auf einen gemeinsamen Wirtschaftsraum. Kennzeichnend für das »Europa der Vaterländer« ist, dass zwar auf supranationale Zusammenarbeit gesetzt wird, die nationale Souveränität hierbei jedoch unangetastet bleibt.

Die Vorstellung einer Nation Europa lässt sich insbesondere in der sogenannten Neuen Rechten finden und weist mit dem angelehnten Eurofaschismus und der sogenannten Konservativen Revolution eine jahrzehntelange Ideengeschichte auf. Eurofaschistische Ideen propagieren einen »Dritten Weg« zwischen Kapitalismus und Sozialismus, der soziale und nationale Elemente verbindet. Verbunden mit der Idee einer »Nation Europa« ist die Feststellung, dass der Nationalstaat den Herausforderungen in einer globalisierten Welt alleine nicht mehr gewachsen ist. Die Frage, welche Aufgaben einer »Nation Europa« zu überantworten seien, findet jedoch keine einheitliche Antwort. Neben den Ebenen Nation und Europa spielen hier auch die Regionen eine zentrale Rolle, sowohl mit Blick auf die Wirtschaft als auch auf die Identität, die eben nicht nur national ausgerichtet sei, sondern auch eine regionale und eine europäische Komponente habe. Entsprechende Vorstellungen wurden in jüngster Zeit vor allem durch die Identitären verbreitet.

Der neoeurasische Ansatz, maßgeblich geprägt von dem russischen Faschisten Alexander Dugin, hat einen Machtblock Eurasien als Ziel, der sich von Süd- und Mitteleuropa bis nach Russland erstreckt und Russland dabei eine führende Rolle zuerkennt. Dugin ist mit der europäischen extremen Rechten eng vernetzt und weist gleichzeitig eine gewisse Nähe zum Kreml auf. Sein tatsächlicher Einfluss auf die russische Regierungspolitik und Präsident Putin ist allerdings umstritten. Auch das in Teilen der deutschen extremen Rechten recht populäre Konzept eines starken Deutschland innerhalb von Eurasien richtet sich maßgeblich gegen die USA.

Extrem rechte Europakonzepte sind keineswegs nur ein Phänomen der jüngsten Geschichte. Bereits in der Zwischenkriegszeit spielten Vorstellungen einer Föderation der europäischen Nationalstaaten in einigen extrem rechten Milieus eine bedeutende Rolle. Entsprechende Ideengeber, etwa der französische Schriftsteller Pierre Drieu la Rochelle, werden heute von jungen Akteuren der Neuen Rechten in Deutschland aufgegriffen und popularisiert. Drieu plädierte vor allem in den 1930er Jahren für eine Kollaboration mit Deutschland. Die nach dem 1. Weltkrieg entstandene Paneuropa-Bewegung, die für einen europäischen Föderalismus eintrat, sah er als Möglichkeit, den Nationalismus wiederzubeleben und gleichzeitig eine europäische Supermacht gegen die Interessen der Sowjetunion und der USA zu bilden. Auch nach 1945 etablierten sich extrem rechte europäische Sammlungsbewegungen, etwa die Europäische-Soziale Bewegung (ESB, 1951), die ihre Rolle in der »Verteidigung der abendländischen Kultur gegen die kommunistische Gefahr« sah oder die aus der ESB hervorgegangene Europäische Neuordnung (ENO, 1951). Diese und weitere Organisationen verbreiteten ihre Europa-Ideen über europaweite extrem rechte Netzwerke, länderübergreifende Konferenzen und diverse Publikationen. Die 1951 gegründete Zeitschrift Nation Europa war über Jahrzehnte hinweg eines der zentralen deutschen Publikationsorgane für Strategiedebatten und Vernetzung der extremen Rechten. Ihr gelang es, den europäischen Gedanken mit nationalistischen Ideen zu verbinden und gleichzeitig verschiedene extrem rechte Spektren anzusprechen.

Weiterführende Literatur:

  • Fabian Virchow: Europa als Projektionsfläche, Handlungsraum und Konfliktfeld. Die extreme Rechte als europäische Akteurin?, in: Gudrun Hentges, Kristina Nottbohm, Hans-Wolfgang Platzer (Hrsg.): Europäische Identität in der Krise? Europäische Identitätsforschung und Rechtspopulismusforschung im Dialog, Wiesbaden 2017, S. 149-167;
  • Sven Olof Steinart: »Nation Europa«, Eurofaschismus 1945-1970, Lich 2015
  • Volkmar Wölk: Zur Renaissance der europäischen Konservativen Revolution, Berlin 2015 (online auf rosalux.de)
  • Volker Weiß: Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes, Stuttgart 2017 (insbesondere zur historischen Entwicklung und Bezugnahme auf den Begriff des Abendlandes).

Der zweite Teil des Artikels »Europa und die Rechte« erscheint am Dienstag, den 7. Juli 2020. Die apabiz-Publikationsreihe magazine nimmt rechte Periodika unter die Lupe, beleuchtet zentrale Diskurse und schafft damit eine Grundlage für die argumentative Auseinandersetzung.