Griechenland im Blick

Deutschsprachige Literatur über den Neofaschismus in Griechenland, insbesondere die Chrysi Avgi (»Goldene Morgenröte«), gibt es kaum. Dimitris Psarras hat nun eine erste umfangreiche Publikation zum Thema veröffentlicht.

Der griechische Journalist Dimitris Psarras kann wohl ohne Übertreibung als der maßgebliche Kenner der griechischen Neonazi-Szene gelten. Seit Jahrzehnten beobachtet er die Entwicklung der extremen Rechten detailliert und hat bereits 2012 einen voluminösen Band zum Aufstieg der Chrysi Avgi verfaßt. Dieser wurde nun in einer für das hiesige Publikum stark gekürzten Fassung auf deutsch veröffentlicht.

Psarras‘ Stärke ist, dass er die Entwicklung der Chrysi Avgi bereits verfolgte, als von deren rasanten Aufstieg in den letzten Jahren noch keiner wissen konnte. Wie wenig überraschend dieser kommt und wie lange die Parteigründer, allen voran der momentan inhaftierte Chef Nikos Michaloliakos, bereits in der extremen Rechten aktiv sind, das belegt der Autor seitenlang. Psarras‘ Darstellung liefert den Leser_innen die Möglichkeit, die Entwicklung der Partei präzise nachzuvollziehen. Daneben vertieft er in einzelnen Kapiteln unter anderem die Beziehungen zum rechten Hooliganspektrum, zur Orthodoxen Kirche oder beschreibt die Symbole und Sprache der griechischen Neonazis.
Die 215 Seiten sind gefüllt mit Ereignissen, Details zu Organisationen und Personen. Die Kontinuität der offen nationalsozialistischen Ideologie der Gruppe und ihres Führungspersonals wird überzeugend dargelegt. Psarras widmet sich mit scharfen Vorwürfen sowohl der (Hof-) Berichterstattung der griechischen Medien als auch der für ihn unzureichenden Reaktion der etablierten Politik. Der Autor kann etliche Beispiele anführen über die Kollaboration von Polizeieinheiten mit den NeofaschistInnen und den Versuchen von Parteipolitiker_innen, den Aufstieg am rechten Rand zu verharmlosen oder gegen die politische Linke zu instrumentalisieren.

Das Buch lässt einen roten Faden leider vermissen, die Kürzungen und die streckenweise sperrige Übersetzung zwingen zur Konzentration beim Lesen. Bedauerlicherweise ist der Band nicht illustriert. Fotos oder Abbildungen würden den Stil von Chrysi Avgi für das deutsche Publikum verständlicher machen. Das Buch aus dem Hamburger Laika-Verlag ist eine solide Grundlage für alle, die sich intensiv mit dem griechischen Neofaschismus auseinander setzen wollen.
Wem diese zweihundert Seiten zu viel Stoff sind, sei verwiesen auf die andere deutschsprachige Publikation von Dimitris Psarras: Auf kompakten 50 Seiten veröffentlichte der Journalist die Studie »Neonazistische Mobilmachung im Zuge der Krise« bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Einen weiteren interessanten Blick auf die Aktivitäten der Chrysi Avgi wirft eine vor kurzem erschienene Broschüre, in der Autor Maik Fielitz vor allem den transnationalen Einfluss der Partei untersucht. Basierend auf einer Masterarbeit verknüpft er seine Forschungen über die Expansion der Partei mit dem ersten intensiven Blick auf die Wirkung der Erfahrungen anderer nationaler Organisationen der extremen Rechten auf die griechische Partei. Und umgekehrt – folgend auf den Aufstieg der Chrysi Avgi ist sie Vorbild für neofaschistische Gruppierungen weltweit geworden.
Fielitz liefert in der Publikation auch eine konzentrierte Analyse der sogenannten »Auslandszellen« der griechischen NeofaschistInnen und erhellt deren Wechselwirkung mit den griechischen Communities in der Diaspora. So gelingt eine lesenswerte Darstellung mit inspirierenden Thesen zur Transnationalität moderner neofaschistischer Bewegungen.

Ulli Jentsch

  • Dimitris Psarras: Neofaschisten in Griechenland – Die Partei Chrysi Avgi. Mit einem Vorwort von Fabian Virchow. Laika Verlag, Hamburg 2014.
  • Dimitris Psarras: Neonazistische Mobilmachung im Zuge der Krise. Der Aufstieg der Nazipartei Goldene Morgenröte in Griechenland. Reihe Analysen. Rosa-Luxemburg-Stiftung, September 2013. Als PDF unter
    www.rosalux.de/publication/39832/
  • Maik Fielitz: Goldene Morgenröte für Europas extreme Rechte? Der transnationale Einfluss der griechischen Chrysi Avgi. Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München, 2013. Als PDF unter 089-gegen-rechts.de