
Rechte Verlage und Buchmessen: Vom öffentlichen Streit zur eigenen Bühne
Über den Umgang mit extrem rechten Verlagen auf den großen Buchmessen wurde in der Vergangenheit rege debattiert. Mittlerweile präsentiert sich die Szene jedoch vermehrt auf eigenen Veranstaltungen – auch in Berlin. Die Entwicklung »alternativer Buchmessen« zeigt, wie sich die Neue Rechte neue Räume schafft, um ihre Narrative zu verbreiten und gesellschaftliche Anschlussfähigkeit zu suchen.
Von Vera Henßler
Ein gutes Buch könne »den Leser schöpferisch und damit unser Miteinander wieder besser werden lassen.« Mit diesen Worten wirbt die für November 2025 in Halle (Saale) geplante Buchmesse »Seitenwechsel« für ihr Vorhaben »in unübersichtlichen Zeiten«. Initiatorin ist die Buchhändlerin Susanne Dagen vom BuchHaus Loschwitz (Dresden). Auf der Messe sollen sich vor allem kleine Verlage präsentieren können, für die die großen Messen aufgrund einer angeblichen »Politisierung der Branche« nicht mehr attraktiv seien, so Dagen gegenüber dem Deutschlandfunk[1]. Die Stände dort seien zu teuer, die Messen zu groß, die Verlage wenig sichtbar. Dagen richtet sich seit einigen Jahren mit Lesungen und ihrer gemeinsam mit Ellen Kositza (Sezession) moderierten Literatur-Sendung »Aufgeblättert, Zugeschlagen – mit Rechten lesen« auf YouTube an ein bürgerlich-(national-)konservatives Publikum, das wenig Berührungsängste mit der sogenannten Neuen Rechten hat. Neben Protagonisten wie Martin Lichtmesz oder Erik Lehnert (Sezession) waren bereits der AfD-Funktionär Maximilian Krah, der Dresdener Schriftsteller Uwe Tellkamp oder die Publizistin Vera Lengsfeld zu Gast in der Sendung.
Eben dieser Brückenschlag wird nun auch auf der Buchmesse angestrebt. Ein Blick auf die ersten Ausstelleranzeigen, die aktuell auf der eigens geschalteten Internetseite aufgeführt werden macht deutlich, dass die Messe zuallererst für einschlägige rechte Verlage interessant ist. Neben dem BuchHaus Loschwitz und der edition buchhaus loschwitz[2] sind hier nahezu ausschließlich rechte Projekte aufgeführt: das Magazin tumult[3], Hydra Comics und die Verlage oikos, Ahriman, Gerhard Hess und Jungeuropa. Der Jungeuropa Verlag um Inhaber Philip Stein (auch: Ein Prozent e.V.), um nur ein Beispiel zu nennen, steht mit seinem Programm in der national-revolutionären Tradition der sogenannten Neuen Rechten. Er verlegt sowohl historische eurofaschistische Literatur als auch politische Streitschriften der Gegenwart und richtet sich damit insbesondere an ein junges, faschismusaffines Klientel.
Im Gegensatz zu den »alternativen Buchmessen«, auf denen die rechte Publizistik in den vergangenen Jahren zusammengefunden hat und die eher als »Treffen unter Freunden« (Götz Kubitschek) charakterisiert werden können, hat die Buchmesse »Seitenwechsel« das Potenzial, ein weitaus größeres und breiteres Publikum anzusprechen. Mit dem Messegelände in Halle konnte hierfür die laut Eigenangabe »größte Eventlocation in Sachsen-Anhalt« mit Platz für bis zu 10.000 Personen angemietet werden. Auch die Wahl einer ostdeutschen Stadt dürfte zu einem größeren Publikumsinteresse führen. Ebenfalls von Gewicht ist die publizistische Unterstützung, die die Messe erhält. In einer gemeinsamen Erklärung, die u.a. von bekannten Persönlichkeiten wie Uwe Tellkamp, Vera Lengsfeld und Uwe Steimle unterzeichnet worden ist, heißt es unter Verweis auf ein vermeintliches Klima von Meinungsverboten und Zensur: »Man kann die Verbreitung von Büchern behindern, man kann Bücher verbieten, man kann Bücher verbrennen. Das hat niemals etwas genutzt und bestehende Spaltungen vertieft. Wer Argumente hat, braucht keine Verbote. Freien Büchern eine Gasse!« Ungeachtet der Tatsache, dass die Veranstalter der großen Buchmessen die Zulassung rechter Verlage stets verteidigt hatten, wird hier einmal mehr das rechte Narrativ einer vermeintlichen »Meinungsdiktatur« bemüht. »Seitenwechsel« erfüllt somit eine wichtige Brückenfunktion zwischen neurechten Verlagen und einer bürgerlich-(national)konservativen und in Teilen dezidiert ostdeutschen Publizistik, die in den vergangenen Jahren immer wieder unter dem Diktum der Meinungsfreiheit für die Neue Rechte Partei ergriffen hat.
Buchmessen als Bühne
Die Frage, wo Meinungsfreiheit endet, begleitet die Auseinandersetzungen um die Teilnahme rechter Verlage an den Buchmessen seit jeher. Dabei haben die Veranstalter der Buchmessen in Frankfurt und Leipzig stets betont, dass ihnen im Umgang mit diesen rechtlich die Hände gebunden seien: Solange ein Verlag nicht verboten sei, gelte die Meinungsfreiheit. Ein Ausschluss sei nicht möglich, stattdessen setze man auf kritische Auseinandersetzung – ein Ansatz, der allerdings zunehmend auf die Probe gestellt wurde. Rechte Verlage nutzten die Messen zuletzt immer offensiver als Bühne, um nicht nur ihr Verlagsprogramm zu präsentieren, sondern auch in Form von Veranstaltungen vor Ort präsent zu sein. Ein frühes Beispiel: 2006 verweigerte die Leipziger Buchmesse der Wochenzeitung Junge Freiheit aus Sicherheitsgründen die Zulassung, da neben dem Stand auch eine Jubiläumsveranstaltung anlässlich des 20-jährigen Verlagsgeburtstages geplant war. Diese protestierte öffentlichkeitswirksam unter dem Schlagwort »Appell für die Pressefreiheit« und fand prominente Unterstützer wie den damaligen FAZ-Herausgeber Joachim Fest. Die Messe blieb jedoch bei ihrer Entscheidung.
Was die Messeveranstalter damals wohl befürchteten, wurde Jahre später Realität. Insbesondere der Verlag Antaios von Götz Kubitschek und das Compact-Magazin organisierten provokante Veranstaltungen auf der Messe, ganz so, wie es Kubitschek in seinem 2007 erschienenen Buch »Provokation« als Zielrichtung vorgegeben hatte. Demnach gelte es, die zunehmenden gesellschaftlichen Konflikte als Chance zu begreifen und durch gezielte Provokationen weiter zuzuspitzen. 2017 kam es auf der Frankfurter Buchmesse zum Eklat. Podien mit Björn Höcke, dem wegen Volksverhetzung verurteilten Akif Pirinçci sowie Martin Sellner und Mario Müller von der Identitären Bewegung standen auf dem Programm. Nach Protesten und Rangeleien, bei denen rechte Aktivisten die Protestierenden bedrängten, schritt schließlich die Polizei ein. Ein halbes Jahr später machte Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer während eines Podiums mit Kubitschek auf der Leipziger Messe unmissverständlich deutlich, was seine politischen Ziele sind: »Aufgabe der oppositionellen Medien ist, zum Sturz des Regimes beizutragen – und da gehen wir Schulter an Schulter.«[4]
Dieser Strategie der Raumnahme adäquat zu begegnen fällt schwer: Eine Dethematisierung fördert die Normalisierung extrem rechter Narrative im gesamtgesellschaftlichen Diskurs, Widerspruch und Protest führt jedoch allzu oft zum kalkulierten Eklat, der erwünschten Medienöffentlichkeit und der unvermeidlichen Opferinszenierung rechter Akteure, die sich um die vielbeschworene Meinungsfreiheit betrogen sehen. Dadurch, dass der Widerspruch vielfach den Linken überlassen werde, sehen sich zudem die Anhänger*innen der politischen Hufeisentheorie bestätigt, so etwa Thorsten Hahnel von Miteinander e.V.[5] Spielraum gäbe es jedoch noch in der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Verlagen, resümierten Pascal und David Begrich von Miteinander e.V. anlässlich der Teilnahme des Jungeuropa Verlags an der Frankfurter Buchmesse 2021[6], dessen faschistisches Programm in der Öffentlichkeit zu wenig thematisiert worden sei. Seitdem ist es wieder ruhiger geworden, nicht zuletzt weil die rechte Publizistik zunehmend auf »alternative« Messen setzt. Auf eigenen Veranstaltungen können sich Verlage und Zeitschriften ungestört ihrem Milieu präsentieren, ins Gespräch kommen, Debatten führen und bestenfalls den Resonanzraum erweitern.
»Alternative« Buchmessen – Berlin als wichtiger Ort der Vernetzung
2012 fand im Berliner Logenhaus erstmals eine »freie Messe« namens »zwischentag«[7] mit mehr als 700 Personen statt.[8] Initiiert von Götz Kubitschek und Felix Menzel (Blaue Narzisse), diente sie der Vernetzung von rechten Verlagen und Akteuren. Auf dem Podium bewarb Felix Menzel »konservative Jugendprojekte«, Michael Stürzenberger (Die Freiheit) und Karlheinz Weißmann (damals noch Institut für Staatspolitik) debattierten die Frage »Ist der Islam unser Feind?« und Dieter Stein, Chefredakteur der Jungen Freiheit, präsentierte die Wochenzeitung und den angegliederten Verlag.[9] Ein halbes Jahr vor der Gründung der AfD betonte Stein dort, dass eine umfangreiche »konservative« Publizistik Grundlage zur Etablierung eines erfolgreichen politischen Projektes wie in Österreich sei.
Mit dem Aufstieg der AfD sollten es rund zehn Jahre später Parteifunktionäre sein, die mit ähnlichen Formaten die Partei und ihr publizistisches »Vorfeld« zusammenbringen. 2023 lud MdB Sebastian Münzenmaier parallel zur Frankfurter Buchmesse nach Mainz in die Räumlichkeiten des Zentrum Rheinhessen e.V. zur »Alternativen Buchmesse«. 2024 richtete der Berliner AfD-Fraktionsvize Thorsten Weiß eine zweitägige »Alternative Buchmesse« im Rahmen seines »Debattennetzwerks Idearium« aus. Mit mehreren Podien und Platz für bis zu 150 Gäste war die Veranstaltung am Rande Berlins im Vergleich zum Vorjahr bereits etwas größer angelegt. Erneut prägten vor allem jüngere Verlage der sogenannten Neuen Rechten wie Jungeuropa oder Hydra die Ausstellertische.
Zuletzt lud im März 2025 die Querdenken-Bewegung zur »Ersten Alternativen Medienmesse« nach Berlin in die Musikbrauerei. Organisiert wurde die unter dem Motto »Deutschland. Aber neutral« stehende Veranstaltung vom »Demokratischen Widerstand«. Obgleich diese weder ein breiteres Publikum erreichen noch irgendeine Medienresonanz außerhalb des eigenen Milieus erzeugen konnte ist es bemerkenswert, dass sich hier ganz offen auch neonazistische Akteure präsentierten. So nahm die aus den beiden Magazinen Deutsche Stimme (Die Heimat, ehemals NPD) und Aufgewacht! (Freie Sachsen) frisch fusionierte Zeitschrift Aufgewacht – Die deutsche Stimme mit einem eigenen Stand an der Veranstaltung teil. Für das Compact-Magazin war Jürgen Elsässer vor Ort, der auf dem Podium über das derzeit laufende Verbotsverfahren Auskunft gab.
Gegenüber diesen eher überschaubaren Veranstaltungen, die vornehmlich der Vernetzung dienten, versucht die nun geplante Messe »Seitenwechsel« in Halle qualitativ etwas Neues. Sie bildet für den Bereich der Publizistik das ab, was innerhalb und um die AfD bereits Realität ist: die permanente Grenzverschiebung des Diskurses. In den kommenden Monaten wird sich anhand der Ausgestaltung des Programms, der Anzahl und der Breite der dort ausstellenden Verlage sowie der Gesprächspartner*innen auf den Podien zeigen, inwieweit dieser Brückenschlag und damit die weitere Etablierung neurechter Programmatik gelingen wird.
- ↑ https://www.deutschlandfunkkultur.de/seitenwechsel-im-november-in-halle-eine-eigene-buchmesse-fuer-rechte-verlage-100.html
- ↑ https://www.der-rechte-rand.de/archive/7880/dresden-edition-buchhaus-loschwitz/
- ↑ Vgl. Volker Weiß: Tumult im Volkskrieg, in: ders., Das deutsche demokratische Reich. Wie die extreme Rechte Geschichte und Demokratie zerstört, Stuttgart 2025, S. 89-109.
- ↑ https://www.l-iz.de/leben/gesellschaft/2018/04/kulturkampf-von-rechts-eine-streitschrift-212219
- ↑ https://radiocorax.de/buchmesse-protest-als-kostenlose-pr-fuer-rechte-verlage/
- ↑ https://www.miteinander-ev.de/2021/11/01/verdraengung-und-praesenz/
- ↑ Weitere »zwischentage« folgten, 2013 erneut in Berlin in ähnlicher Größe, in den beiden Folgejahren in Häusern von Burschenschaften in Bonn und Erlangen, jeweils in kleinerem Format.
- ↑ https://rechtsaussen.berlin/2014/05/neurechte-netzwerke-rechtskonservative-aktivitaeten-in-berlin/
- ↑ https://rechtsaussen.berlin/2012/11/ein-zwischentag/