Foto: apabiz

LKA ermittelte 2011 wegen Anzeige von Neonazi-Aktivistin gegen das apabiz

Anzeigen und Klage-Androhungen gehören zum Alltag von Antifaschist*innen, die die Öffentlichkeit über extrem rechte Strukturen informieren. Auch das apabiz musste sich in der Vergangenheit mit Unterlassungsklagen und anderer Anwaltspost auseinandersetzen. 2011 und 2012 zeigte sich das Berliner LKA sehr engagiert aufgrund der Anzeige einer bekannten Neonazi-Aktivistin gegen das apabiz.

Von Patrick Schwarz

Bei unserem aktuellen »Fundstück des Monats« handelt es sich diesmal um die Anzeige einer Neonazi-Aktivistin gegen das apabiz. Diese führte 2011/12 zu Ermittlungen der Staatsschutzsabteilung des Berliner LKA gegen uns. Doch von vorn:

Seit Bestehen des apabiz ist eines unserer zentralen Arbeitsfelder, extrem rechte Aktivitäten wie Aufmärsche und Kundgebungen zu begleiten und zu dokumentieren. Die Beobachtungen sind eine wichtige Grundlage für die Bewertung regionaler und bundesweiter Entwicklungen oder den Stand der Vernetzung von rechten Strukturen. Die Dokumentationen in Form von Fotos, Audio- und Videomitschnitten werden, ergänzt um eine eigene Einschätzung von apabiz-Mitarbeiter*innen, interessierten Nutzer*innen für ihre politische, journalistische oder wissenschaftliche Arbeit zur Verfügung gestellt. Seit 2010 berichten wir zudem regelmäßig auf unserem Blog »Berlin rechtsaußen« und dem dazugehörigen Twitter-Account über aktuelle extrem rechte Straßenproteste in der Stadt.

Durch die Förderung im Berliner Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wird dieser Teil unserer Arbeit seit vielen Jahren auch finanziell mitgetragen. Doch das genaue Hinsehen und öffentliche Benennen von Kritik, gefällt längst nicht allen.

 

Foto: apabiz

 

Im September 2012 informierte die taz die Öffentlichkeit über ein Ermittlungsverfahren gegen das apabiz aufgrund eines mutmaßlichen Verstoßes gegen das Jugendschutzgesetz. Grund für die Ermittlungen war eine Anzeige der Neonazi-Aktivistin Stefanie P. aus dem Dunstkreis der Berliner Kameradschaften, »Autonomen Nationalisten« und NPD/JN bezüglich einer Veröffentlichung des apabiz. Im Rahmen der Dokumentationsarbeit veröffentlichten wir ein Dossier über eine NPD-Wahlkampfkundgebung anlässlich der Abgeordnetenhauswahlen 2011. Damals trafen sich rund 150 Neonazis auf dem Berliner Alexanderplatz. In der Zusammenstellung hatten wir auch den Aufruf zur Kundgebung der Internetseite des sogenannten Nationalen Widerstands Berlin (NW-Berlin) dokumentiert. Die Internetseite wurde im Mai 2011 indiziert. Die Wiedergabe bzw. der Verweis auf eine indizierte Internetseite wurde von Stefanie P. zur Anzeige gebracht und setzte die Ermittlungen gegen das apabiz in Gang. Dass es sich bei P. um eine stadtbekannte Neonazi-Aktivistin handelte, war den Behörden durchaus bewusst und ihnen bei der Anzeigenaufnahme sogar einen Vermerk wert. P. hatte schon in der Vergangenheit Personen falsch beschuldigt. Dies hatte zur Folge, dass 2006 ein Antifaschist, der später freigesprochen wurde, für über 100 Tage in Untersuchungshaft kam. Auch damals hatte die gleiche Abteilung des LKA die Ermittlungen geführt.

Die Seite des »Nationalen Widerstands Berlin« war damals der wichtigste neonazistische Webauftritt in Berlin und veröffentlichte u.a. als »Feindesliste« Informationen über mutmaßliche politische Gegner*innen. Auf die dort Genannten wurden in der Folgezeit Übergriffe und Brandanschläge verübt.

Nachdem das apabiz die Dokumentation von rechten Aktivitäten und somit den Verweis auf die NW-Berlin-Internetseite als Teil unserer jahrelangen Arbeit gegenüber den Ermittlungsbehörden glaubhaft machen konnte, wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt. Nicht unerwähnt blieb dabei von unser Seite, dass der Berliner Verfassungsschutzbericht ebenfalls Links zur Homepage von NW-Berlin nutzte. Für breites Unverständnis sorgte aber vor allem, dass der Staatsschutz des LKA monatelang gegen ein vom Berliner Senat gefördertes Projekt ermittelte, aber gegen die vielfältigen Aktivitäten des organisierten Neonazispektrums scheinbar wirkungslos agierte.

In der taz hieß es:

»Dass wegen so einer Kleinigkeit überhaupt ermittelt wurde, trägt Züge einer Posse«, kritisiert apabiz-Rechercheur Ulli Jentsch. Wäre es zur Anklage gekommen, käme eine Rufschädigung dazu.

In einem im September 2012 auf »Berlin rechtsaußen« veröffentlichten Statement des apabiz ist zu lesen:

»Während die Ermittlungen gegen den NW Berlin erst nach Jahren und Dutzenden von Straftaten und Anzeigen ernsthaft geführt werden, reicht eine offensichtlich unbegründete Anzeige einer bekannten Neonazistin aus, um den Staatsschutz monatelang zu beschäftigen. Dass dabei ausgerechnet eine vom Berliner Senat im Rahmen des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus geförderte Broschüre in das Visier des Berliner LKA gerät, macht deutlich, wie der Staatsschutz die Arbeit gegen Neonazis konterkariert.«

Verschiedene Personen aus dem Umfeld des NW-Berlin sind bis heute im neonazistischen Spektrum aktiv. Das Bekanntwerden der Ermittlungen gegen das apabiz fiel damals in eine Zeit, in der Polizei- und Verfassungsschutz bundesweit aufgrund der Selbstenttarnung des NSU beinahe im Wochentakt Fragen der Öffentlichkeit bezüglich ihrer Ermittlungspraxen und Informant*innen in der rechten Szene beantworten mussten.