Hipper Faschismus

Rezension: Daniel Hornuff: Die Neue Rechte und ihr Design. Vom ästhetischen Angriff auf die offene Gesellschaft, Transcript, Bielefeld 2019. 142 Seiten. 19,99 Euro.

von Martin Brandt

Spätestens seit der Berichterstattung über die Identitäre Bewegung weiß auch eine breitere Öffentlichkeit, dass ihr der Faschismus nicht mehr mit Bierflasche, Glatze und Springerstiefeln gegenübertritt. Ein studentisch-hipper Lifestyle heuchelt neuerdings bürgerliches Interesse am Diskurs. Mit der optischen Verwandlung ging auch eine Intellektualisierung einher: »Ausländer raus« heißt jetzt »Remigration«, und »Herrenrasse« »Identität«.

Im Anschluss an ein im Vorwort als »turbulent« bezeichnetes Seminar an der Kunsthochschule Kassel zum Thema neurechte Gestaltungs- und Inszenierungsweisen hat Daniel Hornuff seine Erkenntnisse in einem schmalen transcript-Band zusammengetragen. Die zehn kurzweiligen und sprachlich geschliffenen Kapitel wollen anhand unterschiedlicher Bereiche wie Feminismus, Naturschutz, Konsumkritik, Körperlichkeit oder Publizistik zeigen, dass das Neue der »Neuen Rechten« nicht in ihrer Programmatik, sondern ihrer modernisierten Ästhetik, ihrem »Design«, zu suchen ist. Allerdings fragt man sich nach der Lektüre, ob die Gründe für die Turbulenzen allein bei den vom Professor gescholtenen Seminarteilnehmer*innen lagen. Ihren Urteilen bezüglich der neurechten ästhetischen Praktiken unterstellte Hornuff einen Moralismus oder eine politische Motivation.

Wenn es auch stimmen mag, dass die neurechte Bewegung eine Ästhetik der Anpassung betreibt, die darauf zielt, mit liberalen Mitteln den Liberalismus abzuschaffen, wäre es wünschenswert gewesen, diese ästhetische Strategie nicht als Novum auszugeben, sondern sie historisch einzuordnen. Schließlich zeichneten sich alle historischen Faschismen durch eine dezidierte Ästhetisierung von Politik aus. Das aber ist das kleinere Problem. Problematischer am Text ist, dass ihn eine merkwürdige Gleichzeitigkeit durchzieht. Einerseits werden die politisch beunruhigenden Motive der »Neuen Rechten« und deren inhärente Gewaltförmigkeit von Hornuff hellsichtig herausgearbeitet. Andererseits wird eine durch diese gewaltförmigen Motive ausgelöste Verunsicherung mit einem Urvertrauen in die Selbstheilungskräfte der offenen Gesellschaft beiseite gewischt. So scheint es bei Hornuff kein Bewusstsein dafür zu geben, dass der Aufstieg neurechter Bewegungen mit einem fundamentalen Krisenprozess der liberalen Gesellschaften zusammenhängen könnte. Fast wird die »Neue Rechte« als demokratisch notwendige Bewährungsprobe und Weiterbildungsmaßnahme willkommen geheißen.

Statt die Neuartigkeit anhand der modernisierten Ästhetik zu bestimmen, ginge es darum zu verstehen, dass letztere nur in einem vermittelten Sinne neu ist. Das Neue der »Neuen Rechten« liegt eher darin begründet, dass sich diese ästhetische Modernisierung scharfsinnig in einen historisch spezifischen Krisenprozess einzufügen und aus diesem politischen Nutzen zu schlagen versteht. Ohne die Krise würde aber auch die Ästhetik ins Leere laufen.

Während Hornuff zwar ein Bewusstsein für den neurechten Scharfsinn besitzt und damit zu Recht vor einer intellektuellen Unterschätzung warnt, so fehlt ihm doch ein Bewusstsein für die potentielle politische Unwucht, die mit neurechten Bewegungen einhergehen kann. Hornuffs bescheidene Forderungen nach akademischer Selbstkritik und Selbstreflexion als politische Gegenmaßnahmen wirken angesichts dessen einfallslos. Auch bleiben sie Makulaturen, weil sie letztlich kein verbindliches Interesse an einer tiefer gehenden Kritik der in Erosion befindlichen liberalen Ordnung zeigen. Wenn die genannten Gegenmaßnahmen auch die gröbsten Naivitäten der liberalen Öffentlichkeit eingrenzen mögen, wird bei anhaltender Stärke der »Neuen Rechten« ein effektiver Widerstand auf diese Weise nicht entstehen. Ganz im Gegenteil: Ein selbstreflexiver Diskurs mit der »Neuen Rechten«, wie Hornuff ihn einfordert, wird deren Existenz nur weiter normalisieren.