Ein leidenschaftliches Plädoyer für die Antifa

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Rezension: Mark Bray: Antifa. The Anti-Fascist Handbook. NYC: Melville House, September 2017 (erschienen in englischer Sprache). 

von Svenna Berger

Ich wünschte es bräuchte dieses Buch nicht. So beginnt Mark Bray sein 260 Seiten-Buch »Antifa: The Anti-Fascist Handbook«. Aber die Zeiten erfordern es: Die Neonaziaufmärsche im US-amerikanischen Charlottesville im August 2017, bei denen eine Gegendemonstrantin ums Leben kam, die entsetzliche Verharmlosung durch US-Präsident Trump im Nachgang, die weiter ungebrochene rassistische Polizeigewalt oder der Brandanschlag auf ein muslimisches Kulturzentrum kurz nachdem die Trump-Regierung die Einreise aus muslimisch-geprägten Ländern verbot, sind nur einige von vielen Beispielen, die zeigen, wie notwendig antifaschistisches Engagement in diesen Zeiten ist.

Mark Brays englischsprachige Untersuchung ist eine anregende Mischung aus historischem Rückblick, einer präzisen Analyse heutiger Antifa-Bewegungen und einem praktischen Handbuch. Es ist in äußerst kurzer Zeit entstanden, um auf den Bedarf nach Informationen zur Antifa-Bewegung in den USA u.a. nach Charlottesville zu reagieren. Umso beachtlicher ist der Umfang des Werkes. Der Historiker und ehemalige Occupy-Wall-Street-Aktivist sprach mit über 60 Aktivist*innen, überwiegend aus den USA und (West-)Europa und gibt detaillierte Einblicke in Entwicklungen, Strategien und selbstkritische Reflexionen der Bewegung. Einziges Manko: Der Osten Europas ist mit Serbien, Polen und Russland unterrepräsentiert. Aber immerhin taucht Ostdeutschland in einem eigenen Absatz auf.

Keine Ein-Themen-Bewegung

Bray reduziert »Anti-Faschismus« nicht auf die Gegnerschaft zur historischen, faschistischen bzw. nationalsozialistischen Herrschaft in Italien und Deutschland. Aus den Arbeiten des Historikers Robert Paxton[1] leitet er ein weites Verständnis von Faschismus ab, das »White Supremacy«-Vorstellungen etwa des Ku-Klux-Klan in den USA, aber auch den Rassismus der AfD im deutschen Kontext als Gegenstand des antifaschistischen Kampfes einbezieht. Antifa ist in diesem Sinne keine Ein-Themen-Bewegung gegen (Neo-)Nazis, sondern zeigt sich als »alltäglicher Antifaschismus […] gegen Rassismus, Sexismus, Homophobie und andere Formen der Unterdrückung, die als Grundpfeiler des Faschismus dienen.«

Unmissverständlich argumentiert er für die Notwendigkeit von militanter Gegenwehr: Bray sieht die Bekämpfung faschistischer Ideologie durch Argumentation und politischen Diskurs als eine wichtige Form antifaschistischen Engagements. Doch, so führt er aus, habe in den 1920er, 1930er und 1940er Jahren das Argumentieren gegen FaschistInnen allein nicht gereicht. Auch bestehe heute aus Sicht der interviewten Antifa-Aktivist*innen die Notwendigkeit, »dem Schrecken des Faschismus niemals wieder die geringste Chance zu geben, zu triumphieren«. Das heißt, faschistische Einstellungen und Raumnahme durch die extreme Rechte in der Gesellschaft in ihren Anfängen durch verschiedene Formen der politischen Intervention zu verhindern.

Ein politisches Bekenntnis

Brays Buch zielt darauf ab, »eine neue Generation von Antifaschist*innen mit der Geschichte und Theorie auszustatten, die notwendig sind, um die wiedererstarkende extreme Rechte zu besiegen«. Das Anliegen des Autors ist es nicht nur, die Antifa zustärken, sondern ebenso eine breite Solidarität mit einer Bewegung in der Gesellschaft zu erreichen, indem die Öffentlichkeit über deren Ideale und Kämpfe aufgeklärt wird. Auch wenn die teilweise pathetische Schreibweise des Autors ab und an Gefahr läuft, die Bewegung zu überzeichnen, ist das Buch ein leidenschaftliches politisches Bekenntnis zur antifaschistischen Bewegung. Im Übrigen fließen 50 Prozent der Einnahmen in antifaschistische Projekte.

In den USA sorgt das Buch derzeit für viel Diskussion und Fürsprache. Eine deutsche Übersetzung des Handbuches würde mit Sicherheit auch hierzulande auf Interesse stoßen.

  1.  Paxton, Robert O.: Anatomie des Faschismus, München 2006.