Manfred Rouhs (Mitte) und Enrico Stubbe (rechts) von Pro Deutschland auf der "Merkel muss weg"-Demonstration am 7. Mai 2016 in Berlin Mitte.  Foto: apabiz

Pro Deutschland und andere Kleinstparteien vor den Berliner Wahlen

(Dieser Text des apabiz ist unserer Wahlbroschüre „Antritt von rechts“ entnommen, die am 20. Juli 2016 gemeinsam mit der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) veröffentlicht wurde)

Der Berliner Landesverband der ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen kommenden, selbsternannten Bürgerbewegung Pro Deutschland, die mit Pro Köln das erste mal im Jahr 2004 in den dortigen Stadtrat eingezogen war, gründete sich 2010. Ihren Schwerpunkt legt die Partei seit ehedem auf antimuslimischen Rassismus, aber auch klassische Rechtsaußenthemen wie die Begrenzung von Zuwanderung und Innere Sicherheit sind im Programm enthalten. Bereits 2011 trat die Partei mit Slogans wie »Wählen gehen für Thilos Thesen« oder »Unsere Frauen bleiben frei« zu den Berliner Wahlen an. Sie erreichte jedoch nur in einigen Wahlkreisen von Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg nennenswerte Ergebnisse, der Einzug in eine Bezirksverordnetenversammlung gelang ihr nicht.

»Wir, die national orientierten Deutschen, sind hier im Herzen Europas nur noch von Freunden umzingelt. Seien es im Osten die Ungarn, die Tschechen, die Polen: Keines dieser Völker ist bereit sich islamisieren zu lassen, keines dieser Völker ist bereit, die Massenzuwanderung von Menschen aus fremden Kulturen als vermeintlichen Kollateralschaden des Globalisierungsprozesses widerstandsfrei hinzunehmen. Im Süden, in Österreich, ist die Freiheitliche Partei zur stärksten Kraft im Lande geworden. Im Westen in Frankreich hat Marine le Pen die besten Chancen, neue Staatspräsidentin zu werden. Das wäre, Freunde, eine großartige Richtungsentscheidung, nicht nur für Frankreich, sondern für ganz Europa.«

Manfred Rouhs auf der »Merkel muss weg«-Demonstration am 7. Mai 2016. In seiner Rede beruft sich Rouhs auf die in vielen europäischen Ländern erstarkenden Rechtsaußenparteien, die insbesondere gegen die Einwanderung von Muslimen Stellung beziehen.

Wie schon 2011 tritt Manfred Rouhs, Bundesvorsitzender von Pro Deutschland, als Spitzenkandidat an, während der Berliner Landesvorsitzende Günther Czichon auf Platz zwei der Landesliste zu finden ist. Rouhs, der in der Vergangenheit bereits für die Republikaner und für Pro Köln ein Mandat im Kölner Stadtrat bekleidete, ist seit nunmehr sechs Jahren Dreh- und Angelpunkt der Partei in Berlin. Während sich die Umtriebigkeit von Rouhs durch lokale Infostände und das Verteilen der mit einer monatlichen Auflage von angeblich 100.000 Stück erscheinenden Parteizeitung an Berliner Haushalte in den vergangenen Jahren kaum Resonanz brachte, steigt die Außenwahrnehmung von Pro Deutschland nun durch die rechte soziale Bewegung auf der Straße. So spricht Rouhs regelmäßig bei Bärgida und macht dort auch Werbung für seine Partei. Auch bei den unter dem Label Wir für Berlin und wir für Deutschland von Pro Deutschland-Bundesvorstandsmitglied Enrico Stubbe organisierten »Merkel muss weg«-Demonstrationen in Berlin-Mitte im März und Mai 2016 mit bis zu 2000 Teilnehmenden sprach Rouhs und erreichte dort ein deutlich größeres Publikum als gewohnt. Im Vorfeld der zweiten Demonstration am 7. Mai 2016 hatte sich Pro Deutschland als Organisator der Demonstrationen zu erkennen gegeben.

Kommunal versucht sich Pro Deutschland vor allem in Marzahn-Hellersdorf zu profilieren, zuletzt durch eine Unterschriftensammlung für ein Freibad im Bezirk. Auch hier führt Rouhs die Bezirksliste an. Die Chancen für den Einzug in eine Bezirksverordnetenversammlung oder gar in das Abgeordnetenhaus stehen jedoch äußerst schlecht, da auch in Berlin derzeit allein die AfD vom gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck profitieren kann.

Auch die Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) hat für die Abgeordnetenhauswahlen eine Liste aufgestellt. Die Partei um die Bundesvorsitzende Helga Zepp -LaRouche gehört zu einem internationalen Netzwerk, in dessen Zentrum Zepp-LaRouches Ehemann, der US-Amerikaner Lyndon H. LaRouche jun. steht. Die Programmatik von BüSo ist neben der Vorstellung einer nationalstaatlich organisierten Wirtschaft (Rückkehr zur D-Mark) vor allem durch Verschwörungsideologien geprägt. So wird der Klimawandel geleugnet und eine stärkere Nutzung der Kernkraft gefordert. Auch antisemitische Deutungen der Anschläge vom 11. September 2001 und relativierende Äußerungen zum Holocaust finden sich. In Berlin ist BüSo seit einigen Jahren mit Infoständen präsent. Wahlantritte haben aber bisher eher eine formelle Funktion zur Sicherung der Parteieigenschaft.

Das Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BIG) steht für konservative islamische Politik. Der Partei werden enge Kontakte zur türkischen AKP von Staatspräsident Erdogan nachgesagt, auch wenn sie dies bestreitet. Vertreter der Partei sind in der Vergangenheit durch homophobe und antisemitische Positionen aufgefallen. So mobilisierte BIG bei den letzten Berliner Wahlen gegen ein vermeintliches »Schulfach ‚Schwul‘«. BIG tritt lediglich im Bezirk Neukölln zur BVV-Wahl an. Dort erreichte die Partei bei den vergangenen Wahlen immerhin 1,9 %. Ein Erfolg ist also zumindest auf dieser Ebene nicht ausgeschlossen.

Obwohl Die Republikaner (REP) eine Landesliste eingereicht haben, werden sie nicht zur Wahl stehen: Aufgrund fehlender Unterstützungsunterschriften wurde die Landesliste auf der Sitzung des Landeswahlausschusses am 22. Juli nicht zur Wahl zugelassen. Die Partei erreichte zuletzt 2006 einen Sitz in der BVV Pankow. Größere Erfolge liegen für die REP länger zurück. Im Januar 1989 kam die Partei auf 7,5 % und konnte bis zur vorgezogenen Neuwahl im Dezember 1990 eine Fraktion ins Abgeordnetenhaus entsenden. Auch in elf von zwölf BVVen West-Berlins wurden die REP gewählt. Bei den BVV-Wahlen 1992 zogen die REP in 20 der 23 Bezirksvertretungen ein. Drei Jahre später verloren sie alle ihre Bezirksmandate wieder. 1999 zogen sie erneut in sechs BVVen ein, um 2001 einmal mehr alle Sitze einzubüßen. Die Mitgliedszahlen der Partei sind bundesweit seit Jahren rückläufig, und bei den letzten Wahlen haben die REP selbst in früheren Schwerpunktregionen nur wenige kommunale Mandate erringen können. Im Berliner Landesverband sind seit vielen Jahren kaum neue Personen aktiv.

Mit den Parteien Der III. Weg und Die Rechte gibt es auch in Berlin lokale Ableger dieser bundesweit organisierten, relativ jungen neonazistischen Kleinstparteien, die jedoch nicht zu den Berliner Wahlen antreten.

Der III. Weg wurde 2013 in Heidelberg von ehemaligen Mitgliedern der NPD und sogenannten »Freien Kräften« des verbotenen Netzwerks Freies Netz Süd gegründet. Neben Rheinland-Pfalz und Bayern ist die Partei vor allem in ostdeutschen Bundesländern aktiv. Zwar ist Der III. Weg eine eingetragene Partei, jedoch verfolgt diese im Gegensatz zur NPD keine parteipolitischen Ziele, sondern dient als Auffangbecken für verbotene Strukturen. Die bundesweit nur wenigen hundert Mitglieder verstehen sich als völkisch-nationalistische Elite, die sich bewusst von anderen neonazistischen Parteien und Strömungen abgrenzt. Ihnen geht es ganz in nationalsozialistischer Tradition um den Kampf um die Straße. Dies spiegelt sich auch in dem kurzen Parteiprogramm wieder, welches an das der NSDAP angelehnt ist. In Berlin gibt es seit 2015 einen »Stützpunkt«. Dieser ist bislang kaum öffentlich in Erscheinung getreten und nur durch wenige Flugzettel-Aktionen, vor allem in Marzahn-Hellersdorf, sowie interne Parteiveranstaltungen aufgefallen. Einzig öffentlich wahrnehmbare Aktion des III. Weg in Berlin war ein Aufmarsch am 2. April 2016 in Marzahn-Hellersdorf, auf dem neben Vertretern der NPD und Die Rechte auch Matthias Fischer, Leiter des Gebietsverbands »Mitte« sprach.

Die Rechte wurde 2012 durch ehemalige Mitglieder der DVU und unter Federführung des bundesweit aktiven Neonazikaders Christian Worch gegründet. Dieser ist seither Parteivorsitzender. Der Berliner Landesverband existiert seit 2013. Nennenswerte Wahlerfolge hat Die Rechte bislang kaum erzielt. Lediglich einzelne Kommunalmandate hält die Partei, teils durch Parteiübertritte. Diese werden für menschenverachtende Provokationen genutzt. Im Dortmunder Stadtrat stellte ein Vertreter der Partei 2014 eine Anfrage bezüglich der Anzahl der in der Stadt lebenden Jüdinnen und Juden und deren Wohnorten. Auch Die Rechte ist weniger eine Wahlpartei, sondern dient als Auffangbecken für verbotene Strukturen. In Berlin stammen verschiedene FunktionärInnen aus der verbotenen Kameradschaft Frontbann 24. Zudem sind personelle Überschneidungen zur 2016 verbotenen Weiße Wölfe Terrorcrew (WWT) bekannt. Im Zuge des Verbots kam es zu einer Hausdurchsuchung beim Berliner Landesvorsitzenden von Die Rechte, Tom Staletzki. In Berlin kooperieren die Mitglieder der Partei bei Demonstrationen häufig mit der NPD. Aktuell ist der Landesverband desolat aufgestellt und verzichtet auf eine Wahlteilnahme.