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25 Jahre apabiz – Ein Vierteljahrhundert sammeln, recherchieren, dokumentieren und vermitteln

Die Alternative für Deutschland (AfD) ist mit dem Einzug in das Berliner Abgeordnetenhaus nun mittlerweile in zehn Landesparlamenten vertreten. Fast täglich gibt es Übergriffe auf Geflüchtete oder ihre Unterkünfte. Der Prozess gegen fünf Angeklagte im Zusammenhang mit der Mord- und Verbrechensserie des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in München tagt bereits seit über 300 Prozesstagen, und auch mit dem nahenden Ende werden die Zusammenhänge nur ansatzweise aufgeklärt sein. Die Arbeit des apabiz wird nicht weniger…im Gegenteil.

Neonazistische Gruppierungen in Berlin und Brandenburg sowie das internationale Netzwerk von Blood & Honour waren in den ersten Jahren oft der Schwerpunkt unserer ehrenamtlichen Arbeit. Auch wenn die meisten Mitarbeiter_innen eher den Fokus auf die verschiedensten Strukturen des militanten Neonazismus gerichtet haben, waren z.B. auch die rechtskonservativen Publikationen oder die Vertriebenenverbände Gegenstand der Recherche und Analyse. Diese inhaltlich breite Aufstellung spiegelte sich u.a. in der Mitarbeit am Handbuch Deutscher Rechtsextremismus (1996) wider.
Ein großer Schritt für das seinerzeit rein ehrenamtlich arbeitende Projekt war der Umzug im Jahr 2001 von den wenigen lichtarmen Quadratmetern im Erdgeschoss der Kreuzberger Falckensteinstraße in die großzügigen Räumlichkeiten der Fabriketage in der Lausitzerstraße. Nicht nur die Arbeitsatmosphäre für die Mitarbeiter_innen verbesserte sich deutlich, auch so manche Umzugskiste konnte endlich ausgepackt und deren Inhalt in unseren Bestand integriert und damit auch den Nutzer_innen zugänglich gemacht werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt war der Beginn der landespolitischen Förderung unserer berlinbezogenen Arbeit durch das Berliner Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus vor mehr als zehn Jahren. Diese bis heute andauernde Finanzierung ermöglicht die Entlohnung zumindest eines Teils unserer Arbeit fernab von Archiv und Bibliothek.

Sammeln und überliefern

Im Laufe der Jahre konnte das apabiz immer wieder eine Reihe von neuen Sammlungen bei sich aufnehmen. Sei es beispielsweise der Nachlass der Überlebenden des KZ Ravensbrück, Barbara Reimann, das Foto- und Redaktionsarchiv der Deutschen Volkszeitung (DVZ) / die tat oder die Bestände zum Thema Rechtsextremismus von Politikwissenschaftsprofessor Richard Stöss vom Otto-Stammer-Zentrum der Freien Universität Berlin. Es sind aber nicht nur die großen Materialsammlungen oder Bestände, die ihren Weg zu uns finden, sondern v.a. die Kleinstbestände von Projekten, Gruppen oder Einzelpersonen, die zu Themen arbeiten oder gearbeitet haben, die für unser Arbeitsfeld relevant sind. Gerade aus diesen Sammlungen bergen wir oft so manchen Schatz. Leider ist immer wieder festzustellen, dass es bei politischen Akteuren und Projekten an einer Wertschätzung für eine notwendige Absicherung der politischen Arbeit und des eigenen Wissens durch Archive mangelt, oder kein Wille oder Bewusstsein dafür vorhanden ist.1 Die eine oder andere einzigartige Sammlung ist deswegen wohl für immer verloren gegangen, bestenfalls ist sie für Interessierte nur vorübergehend nicht zugänglich.

Antifaschistische Bildungsarbeit

Neben den reinen Archivtätigkeiten spielte schon immer auch die Bildungsarbeit eine wesentliche Rolle für das apabiz. Am Anfang war es der Wille, eigene Veranstaltungen durchzuführen oder sich als Referent_innen mit dem angehäuften Fachwissen anderen anzubieten. Wie das ganze Projekt apabiz ist auch unsere Bildungsarbeit im Vergleich moderner und professioneller aufgestellt. Auch das Interesse und die Wertschätzung an unserer Arbeit hat mit jeder Veranstaltung zugenommen. Unser Bildungsangebot spiegelt dabei die Schwerpunkte der inhaltlichen Arbeit des apabiz wieder. Aktuell wird unser Themenkatalog von Veranstaltungen zur AfD, rassistischen Mobilisierungen und Strukturen sowie dem NSU-Komplex dominiert. Auch wenn dieser Bereich gekennzeichnet ist von ständiger personeller Überlastung und notorischem Zeitmangel, so ist er – nicht nur wegen seiner fast 100 Veranstaltungen jährlich – ein wichtiger Arbeitsbereich des apabiz und nicht mehr aus dem Gesamtprojekt wegzudenken. Neben der notwendigen Vermittlung unseres Wissens und unserer Analysen werden damit auch die Positionen des apabiz in der Öffentlichkeit repräsentiert, und nicht zuletzt sind die vielen Diskussionen mit Interessierten vor Ort natürlich auch für uns gewinnbringend.

Unersetzliche Netzwerkarbeit

Dass das apabiz weit über die sonst eher passive Rolle eines Archivs hinaus aktiv ist, funktioniert nur aufgrund unserer Einbindung in ein Netzwerk von deutschen und internationalen Zeitschriften, Archiven und Forschungszusammenhängen. Ohne dieses Netzwerk wäre das apabiz nicht denkbar – sei es bei der Entwicklung und Durchführung von Projekten oder bei Diskussionen und der Erstellung von Analysen. Beispielhaft war das Thema rechter Lifestyle, das schließlich in der als Netzwerkprojekt von der Agentur für soziale Perspektiven e.v. (asp) herausgegebenen Broschüre »Das Versteckspiel – Lifestyle, Symbole und Codes von neonazistischen und extrem rechten Gruppen« mündete. Diese bringt es mit den unterschiedlichen Ausgaben auf inzwischen über 100.000 Exemplare und Hunderte Bildungsveranstaltungen. Die langjährige Beschäftigung mit der weitreichenden und vielschichtigen Thematik Rechtsrock führte zu zahlreichen Publikationen und Veranstaltungen sowie neuen Kooperationen. Aktuell ist es vor allem unser Projekt NSU-Watch, das mit Hilfe dieses Netzwerkes den NSU-Prozess und die verschiedenen parlamentarischen Untersuchungsausschüsse beobachtet und dokumentiert und Recherchen und Analysen zum NSU-Komplex veröffentlicht.

Neue Herausforderungen und zu lösende Probleme

Mit der zunehmenden Etablierung des apabiz in der Berliner und bundesweiten Projektelandschaft haben sich auch die Nutzer_innen und Anforderungen an uns geändert. Waren es in den Anfangsjahren vor allem antifaschistische Gruppen und Einzelpersonen, die das Archiv genutzt aber auch unterstützt haben, ist der Kreis der Nutzer_innen inzwischen viel breiter aufgestellt. Kurzfristige Anfragen von Journalist_innen sind inzwischen genauso Normalität geworden wie (Nachwuchs-)Wissenschaftler_innen, die sich über Tage zur intensiven Recherche in unseren Beständen im apabiz einquartieren. Die Entwicklung vom regionalen Antifa-Archiv zur bundesweit größten und umfangreichsten unabhängigen Sammlung mit freiem Zugang brachten nicht nur eine Veränderung der Außensicht auf das apabiz mit sich. Auch der tägliche Arbeitsaufwand für das eher überschaubare Team von Mitarbeiter_innen ist nicht zu unterschätzen. Eine wichtige Stütze bei dieser oft grenzenlosen Arbeit sind die ehrenamtlichen Kolleg_innen, die uns in der Vergangenheit und Gegenwart immer wieder unter die Arme gegriffen und entlastet haben.
Auch wenn sich einige von den »neuen« Nutzer_innen für eine Fördermitgliedschaft entschließen, sind es vor allem unsere alten Fördermitglieder, die uns teilweise seit Jahrzehnten unterstützen und das apabiz so wie es jetzt ist erst mit ermöglicht haben. Unsere Fördermitglieder sind eine Garantie, dass wir derzeit unabhängig von jeglicher Förderung durch das Berliner Landesprogramm zumindest unsere nicht ganz geringe Miete bezahlen können. Dennoch stoßen wir mit unserem Bestand langsam auch in unseren Räumlichkeiten an Grenzen. Hinzu kommt, dass eine langfristige Mietsituation mit einer für uns aufbringbaren Miete derzeit nicht gewährleistet ist. Auf einen Umzug aus unserer geliebten Fabriketage würden wir alleine schon deswegen gerne verzichten, weil dieses logistische Großprojekt uns nur von der eigentlichen Arbeit abhalten würde. Mit dem stetig wachsenden apabiz und seinen Seitenprojekten wie Rechtes Land und NSU-Watch ist auch in den letzten Jahren ein erheblicher organisatorischer, technischer und bürokratischer Mehraufwand entstanden. Wurde unsere Buchhaltung bisher weitestgehend ehrenamtlich abgewickelt, brauchen wir hier zukünftig personelle Unterstützung sowie dringend auch neue finanzielle Ressourcen. Auch über Ideen und eine  wirkungsvolle Unterstützung im Bereich Fundraising freuen wir uns jederzeit. Auf weitere 25 Jahre!

 

Dankeschön!

Natürlich sind 25 Jahre apabiz auch ein ordentlicher Grund zum Feiern. Deswegen gab es wie bereits vor fünf Jahren am 11. November einen Tag der offenen Tür. Auch diesmal gab es zahlreiche Rundgänge durch unsere verwinkelten Räumlichkeiten, und neben den üblichen Glas Sekt auch eine lockere Präsentation unserer Arbeit. Vielen Dank an diejenigen, die vorbeigekommen sind oder uns Grüße gesendet haben!