Das Bild zeigt eine Glas mit Zeichen- und Malutensilien sowie einen Wasserfarbenkasten mit einem Pinsel auf okerfarbenem Hintergrund.
Bild: pixabay.de

Rechte Comics – Teil 1

In den letzten Jahren lässt sich eine Zunahme extrem rechter Comic-Publikationen im deutschsprachigen Raum beobachten. Wiederkehrende Narrative sind der Rächer, der Außenseiter und die dystopische Überzeichnung aktueller politischer Entwicklungen. Die vorliegende Ausgabe von magazine untersucht die jüngsten Comicprojekte der extremen Rechten und gibt einen Einblick in die Bildsprache und Motive der Verantwortlichen.

Von Mika Pérez Duarte, Vera Henßler, Anna Beckmann, Kilian Behrens, Patricia Zhubi

Moderne Comics sind ein spätes Produkt der Industrialisierung. Entstanden sind sie Ende des 19. Jahrhunderts auf den Sonntagsseiten der Zeitungen, wenig später waren sie schon als Zeitungsstrips in den großen US-amerikanischen Zeitungen zu finden, wo sie zwischen den Sportnachrichten zunächst nur als Platzhalter fungierten. Im Nachgang der Weltwirtschafts-krise 1929 erblickten die Superheld*innen das Licht der Welt. Viele von ihnen entsprangen der Feder jüdischer Migrant*innen, die mit ihrer Kunst auf den Nationalsozialismus reagierten. Die übermenschlichen Figuren können als Wunsch gelesen werden, zurückzuschlagen und das Grauen der Nazis zu stoppen. So kam es auch dazu, dass Captain America 1942 Hitler in der Erstausgabe des gleichnamigen Comics einen Schlag aufs Kinn verpasste – und das noch bevor die USA in den Krieg eingetreten waren. Die Superheld*innen waren beliebt und dennoch gab es von konservativer Seite Zweifel an der moralischen Integrität der Comics, da sie aufgrund ihrer Bildlichkeit als Medium für Kinder verstanden wurden. Das führte dazu, dass sich die großen Verlage in den USA einen Comic Code auferlegten und weniger gewaltvolle und sexualisierte Darstellungen publizierten. Die Gegenbewegung ließ nicht lange auf sich warten. Die »Underground Comix« waren von den 1968er Jahren geprägt und strotzten nur so vor Sex, Drugs and Rock‘n‘Roll. Gleichzeitig spielten Aushandlungen über Sexismus, Rassismus und Antisemitismus zunehmend eine Rolle. Die Entwicklung in den USA prägte auch die europäische Comic-Kultur. Länder wie Italien oder Belgien weisen ebenfalls eine lange Comic-Tradition auf. In Deutschland ließ der gesamtgesellschaftliche Durchbruch der Comics hingegen länger auf sich warten.

Im extrem rechten Spektrum sind Comics ähnlich wie rechte Musikproduktionen zwar vertreten, besondere Aufmerksamkeit wurde ihnen jedoch nicht zuteil. Dennoch gab es immer wieder Versuche, eigene Comics zu zeichnen und zu vermarkten.[1] Mitunter haben rechte Akteur*innen und Bewegungen versucht, sich bestehende Comics anzueignen, beispielsweise »V wie Vendetta« und »Watchmen« von Alan Moore oder »300« von Frank Miller, aus dem die »Hooligans gegen Salafismus« (HoGeSa) ihren Ruf »Ahuu!« entlehnt hatten. Zum einen nutzt die extreme Rechte die Reichweite dieser prominenten popkulturellen Werke, um ihre eigenen Inhalte zu verbreiten. Zum anderen lässt sich fragen, welche bereits vorhandenen Ideologiebezüge in den Comics für dieses Milieu attraktiv sind. Comics sind ein Produkt ihres zeitlichen Kontextes, in ihnen spiegelt sich genauso viel Sexismus, Rassismus, Antisemitismus, Behindertenfeindlichkeit und Klassismus wider, wie in der Gesellschaft, in der sie entstehen.

Extrem rechte Comics mit Tradition

Bereits seit den 1980er Jahren sind Comics in Periodika und Publikationen unterschiedlicher Spektren wie der NPD, aber auch subkulturell geprägter Neonazi-Zusammenhänge nachweisbar. Letztere verzichten, so der Comic-Experte Ralf Palandt, weitestgehend auf den Versuch, die eigene politische Ideologie argumentativ zu untermauern. Sie richten sich zuallererst an die eigene Klientel, indem bestehende Feindbilder markiert werden, darunter Jüdinnen*Juden, Migrant*innen, Linke, Punks oder der Staat. Neben den in den 1980er und 1990er Jahren für die interne Kommunikation relevanten Fanzines lassen sich auch in einigen CD-Booklets von RechtsRock-Bands Comics finden.

Ein frühes Beispiel für einen Comic aus dem neonazistischen Lager ist »Der kürzeste Weg ins Paradies«, der in der 1979 erschienenen Publikation »NHB aktuell« des Nationaldemokratischen Hochschulbundes (NHB), der Studierendenorganisation der NPD, zu finden ist. Als »antikommunistische Selbstermächtigung« (Fabian Virchow)[2] handelt die Erzählung von einem bundesdeutschen Journalisten, der in die von ihm verehrte DDR einreist und dort mit der Staatsmacht in Konfrontation gerät, die ihn schließlich als »imperialistischen Agenten« verfolgt. Beim Fluchtversuch über den Grenzzaun verunglückt er tödlich. Der Comic greift ein Narrativ auf, das für die bundesrepublikanische extreme Rechte in den 1970er Jahren prägend war: der Widerstand gegen die sogenannte neue Ostpolitik der Regierung Brandt, die mit dem Schlagwort »Wandel durch Annäherung« ein neues Verhältnis zur DDR anstrebte. Neben der antikommunistischen Ausrichtung des Comics sind zwei Aspekte interessant. Zum einen wurde die Veröffentlichung von einem Bericht über den nächtlichen Abbau einer Selbstschussanlage am DDR-Grenzzaun durch NHB-Aktivisten flankiert, was, so Virchow, »als Ausweis des aktivistischen Charakters der NHB« gewertet werden kann. Zum anderen ist der Comic trotz des deutsch-deutschen Schauplatzes keine originär deutschsprachige Veröffentlichung. »Der kürzeste Weg ins Paradies« wurde von einem flämischen Zeichner namens Prik entworfen und erschien zunächst in einer flämischen extrem rechten Zeitschrift, bevor er in der Schweiz, in Spanien sowie in Deutschland veröffentlicht wurde.

Bereits seit 1978 erschien im Umfeld der Wiking Jugend eine Zeitschrift für Schüler*innen mit dem Titel »Gäck«, in der Comics unterschiedlicher Qualität abgedruckt wurden. Durchaus professionell gezeichnet ist die Comic-Sonderausgabe des Jahres 1980 mit dem Titel »Oswin’s Ritt«, die Fantasy und völkische Elemente verbindet und dabei ideologisch nicht hinter dem Berg hält. Am Ende, der Feind ist geschlagen durch den Held Oswin, fordert dieser in Goebbels-Manier: »Nun Volk steh auf und Sturm brich los«.

Comics als Wahlkampfpropaganda

Wahlkampfcomics bzw. Parteicomics machen einen relevanten Teil der extrem rechten Comics aus. Die ideologischen und programmatischen Bezüge stehen dabei klar im Vordergrund. Über die Jahrzehnte hinweg sind von der NPD etliche Comics verbreitet worden. Allein in der Parteizeitung »Deutsche Stimme« erschienen mehrere Comics, darunter »Willy Widerstand« (1998/1999) oder »Alex« (2007). Zur Bundestagswahl 2009 veröffentlichte die NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) den Comic »Enten gegen Hühner«, der laut Partei in einer Auflage von 30.000 Stück kostenlos verteilt wurde.

Während die Zeichnungen durchaus professionell sind, kann der klägliche Versuch, die plump rassistische und bisweilen antisemitische Botschaft in Reimform zu übermitteln, nur als gescheitert betrachtet werden: »Die Hühner, als Gäste sie kamen, um sich damit als Räuber zu tarnen. Erst einmal im Entenland drin, hatten die Hühner kein Benimm.« Die fleißigen Enten, so die Story, werden von den zugewanderten Hühnern unterdrückt. Geschichte und Zeichnungen, darauf verweist Ralf Palandt, referieren auf den 1996 erschienenen englischsprachigen Comic »The Fable of the Ducks and Hens«, der in Bezug zum gleichnamigen Gedicht des US-amerikanischen Neonazis George Lincoln Rockwell veröffentlicht wurde.

Sowohl »Der kürzeste Weg ins Paradies« als auch »Enten gegen Hühner« verdeutlichen, dass sich extrem rechte Comicprojekte mitunter länderübergreifend aufeinander beziehen oder einzelne Comics in mehreren Ländern und Sprachen Verbreitung finden, wobei die Inhalte punktuell an die lokalen Gegebenheiten und Diskurse angepasst werden.

»Enten gegen Hühner« ist lediglich ein Beispiel für einen Comic, der anlässlich von Wahlen mit dem Versuch verbreitet wurde, ein jüngeres, rechtsoffenes Klientel anzusprechen. Ähnlich plumpe Projekte sind von der FPÖ im Jahr 2009 (»Der blaue Planet. HC‘s Kampf für Freiheit und gegen eine zentrale EU«) oder jüngst der AfD (»Zeit für die Wende 2.0«) veröffentlicht worden. Während Heinz-Christian Strache als blauer Superman gegen die korrupte EU-Elite ankämpft, verspricht der während des Thüringer Wahlkampfes 2019 verbreitete AfD-Comic angesichts einer »gleichgeschalteten Politik« eine »friedliche Revolution mit dem Stimmzettel«.

Vogelaffine AfD-Propaganda: »Emilia and friends«

Auch die Berliner AfD-Fraktion gab in den Jahren 2017 und 2018 insgesamt acht Ausgaben eines Comics namens »Emilia and friends« heraus. Auf jeweils vier Seiten erlebt Emilia die aus Sicht der Partei drängenden Probleme der Hauptstadt am eigenen Gefieder. Richtig: Emilia und ihre Freund*innen sind Vögel. Emilia »liebt die Freiheit und das Neue, verachtet Piefigkeit und Lügen. Typisch AfD!«

Die Zeichnerin Livnat aus Israel bot sich der Partei mit dem Versprechen an, sie könne »intelligente Comics zeichnen«. Mit Blick auf »Emilia and friends« darf das durchaus bezweifelt werden. Zeichenstil und Aufbau der Geschichten sind nicht einmal Mittelmaß. Unerwartete Plot-Twists, popkulturelle Anspielungen oder eine halbwegs anspruchsvolle Handlung suchen Leser*innen vergeblich. Oft sind die Geschichten vorhersehbar. Am Anfang diskutieren Emilia und ihr Kumpel Erik ein Problem. Die Liste der verhandelten Themen spiegelt das Berliner Parteiprogramm: Feinstaubbelastung, Bildungssystem, Law-and-Order-Politik. Dabei fällt Erik die Rolle des naiven Links-Grünschnabels zu, dessen Argumente spätestens auf Seite 4 nach einer Belehrung von Emilia entkräftet werden. Diese referiert dann die jeweilige AfD-Position.

An einigen Stellen zeigt sich klar die Menschenverachtung der Partei, etwa in der zweiten Folge mit dem Titel »Tatort Alexanderplatz«, in der die Straßen von Vögeln unsicher gemacht werden, die später zu einer No-Border-Party gehen. Dort kommt es zum »Verdacht auf Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung«. Ohne es auszubuchstabieren ist die Botschaft klar: Geflüchtete würden Berlin unsicher machen. Die in der siebten Folge »Schule macht Zukunft« geäußerte Kritik am Berliner Bildungssystem zielt auf die im AfD-Programm geforderte »Differenzierung« des Schulsystems ab, wonach »an unseren Schulen wieder Leistung und Disziplin einziehen« solle. Da sich Integrationsklassen mit Schüler*innen mit Lernbehinderungen negativ auf die Leistungen von Kindern ohne Förderbedarf auswirken würden, setzt sich die Partei für den Erhalt von »Sonderschulen« ein. Plumpe finanzpolitische Kritik enthält die Folge »Die schwarze Null«. Der Finanzsenator ist als Pleitegeier (ein Aasfresser) dargestellt, der aufgrund seines Zylinders dem Klischeebild eines Kapitalisten aus dem 19. Jahrhundert entspricht. Unter dem Arm hat er in einem Aquarium »gefrässige Hochzins-Piranhas«, die einzigen Figuren, die nicht als Vögel dargestellt werden. Das antisemitische Bild vom ›raffenden Kapital‹ wird hier sehr deutlich, auch wenn die AfD das sicher nicht so verstanden wissen will.

Insgesamt dürfte »Emilia and friends« wohl der Versuch der Partei gewesen sein, ein junges Publikum zu erreichen. Die Reichweite der im Selbstverlag erschienenen Comics scheint jedoch gering. Diese waren vor allem in AfD-Büros und an Wahlkampfständen zu bekommen. Zudem wurden sie auf YouTube veröffentlicht, wo sie zwischen 300- und 2000-mal aufgerufen wurden. Außerhalb des eigenen Spektrums wurde kaum über die Serie berichtet.

Der zweite Teil des Artikels »Rechte Comics« erscheint am 21. Dezember 2022. Die apabiz-Publikationsreihe magazine nimmt rechte Periodika unter die Lupe, beleuchtet zentrale Diskurse und schafft damit eine Grundlage für die argumentative Auseinandersetzung.

  1.   Vgl. Ralf Palandt, in: ders. (Hrsg.): Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics, Berlin 2011.
  2.   Vgl. Fabian Virchow: »Der kürzeste Weg ins Paradies« – vom Comic zur Selbstermächtigung, in: Ralf Palandt (Hrsg.): Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics, Berlin 2011, S. 62-73.