Medienschau: Antifa heißt Archiv

Ein Artikel der Jungle World widmet sich dem neuen Bibliotheksverbundkatalog antifaschistischer Archive.

Antifa heißt Archiv

Wer zur extremen Rechten recherchieren will, hat es seit kurzem ein wenig leichter: Mehrere antifaschistische Archive bieten mittlerweile in einem Online-Katalog einen Überblick über ihre Bestände.

Gruppen kommen und gehen, Archive bleiben bestehen. Im antifaschistischen Bereich sind Archive ein zentraler Bestandteil der Infrastruktur. Sie sammeln und bewahren Material, ohne welches es oft nicht möglich wäre, Entwicklungen der extremen Rechten fundiert zu bewerten.

Von großem Nutzen ist es entsprechend, dass der Zugang zu diesem Material leichter geworden ist. Seit Ende April präsentieren sechs antifaschistische Archive und Dokumentationsprojekte unter bibliothek.antifa-archiv.org ihre Bücher- und Broschürenbestände in einem gemeinsamen Online-Katalog. So können Interessierte auch aus der Ferne in den Bibliotheken der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München (Aida), des Antifaschistischen Bildungszentrums und Archivs Göttingen e. V. (Abag), des Düsseldorfer Antifa-Archivs, der Zeitgeschichtlichen Dokumenta­tionsstelle Marburg, des Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums Berlin (Apabiz), des im Apabiz angesiedelten Archivs zum ehemaligen Jugend-KZ und Vernichtungsort Uckermark und des Bielefelder Vereins »Argumente und Kultur gegen rechts« nach Material suchen.

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Der Schwerpunkt der mehr als 20 000 zurzeit über den Verbundkatalog recherchierbaren Bücher und ­Broschüren liegt auf Publikationen zur deutschen extremen Rechten, vor allem auch auf deren eigenen Veröffentlichungen. »Uns war es explizit auch wichtig, Leuten, die sich kritisch mit rechter Literatur auseinandersetzen wollen, zu zeigen, was wir davon im Bestand haben«, so Schwarz. Denn daran, ergänzt Felix Hansen, der ebenfalls beim Apabiz tätig ist, bestehe ein Interesse, das hauptsächlich die antifaschistischen Archive bedienen könnten: »In jüngster Zeit wenden sich auch vermehrt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an uns, auf der Suche nach Material, das es in anderen Bibliotheken so nicht gibt.« Universitäts­bibliotheken oder staatliche Archive sammelten diese Veröffentlichungen nicht in solcher Breite. Sowohl die Zeit des Nationalsozialismus wie auch die deutsche Rechte nach 1945, vom Rechtskonservatismus über die Vertriebenenverbände und Landsmannschaften bis hin zum militanten Neofaschismus, seien erfasst.

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Auch wenn die beteiligten Archive durch den Verbundkatalog vor allem als Sammlungen von Material und ­Publikationen zur deutschen Rechten erscheinen, stellt dies nur einen ihrer Schwerpunkte dar, wie Schwarz betont: »Anti­fa-Archive sind auch Archive einer sozialen Bewegung. Wir bemühen uns deswegen darum, Materialien von Gruppen oder Aktivistinnen und Aktivisten zu bewahren, und darum, dass deren Sammlungen nicht irgendwann auf dem Müll landen, sondern bei uns oder in einem anderen entsprechenden Archiv.« So schaffen die Archive neben einer Infrastruktur für Forschung und Recherche auch die Voraussetzung für die historische Selbstreflexion der Antifa als politischer Bewegung.

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