»Berliner Zustände 2019« erschienen

Nach dem antisemitischen und rassistischen Anschlag in Halle im Oktober 2019, bei dem zwei Menschen ermordet wurden und ein Massaker an der in der Synagoge versammelten jüdischen Gemeinde geplant war, muss sich der mutmaßliche Rechtsterrorist in Kürze vor Gericht verantworten. Für viele Berliner Jüdinnen und Juden war nicht die Frage, ob solch ein Anschlag passiert, sondern wann, berichtet im Gespräch mit den »Berliner Zuständen 2019« der Antisemitismus-Beauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Der Prozessbeginn fällt in eine Zeit, in der auf Berliner Straßen offen antisemitische Verschwörungserzählungen verbreitet werden. Die Anwohner*inneninitiative für Zivilcourage – gegen Rechts protestiert gemeinsam mit anderen seit Wochen gegen die »Hygiene-Demos«, an denen immer wieder auch extreme Rechte teilnehmen. Im Interview kritisiert sie eine »gefühlte Ungleichbehandlung« durch die Polizei und die behördliche Stigmatisierung von zivilgesellschaftlichen Protesten gegen extrem rechte Aufmärsche als »gefährlich«.

In der aktuellen Ausgabe der »Berliner Zustände« stellen Berliner Projekte und Initiativen auf 110 Seiten ihre Perspektive auf die wesentlichen Entwicklungen und Tendenzen im Bereich Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus des Jahres 2019 vor. Amaro Foro zeichnet nach, wie sich antiziganistische Ermittlungspraxen der Polizei bis heute in eine Kontinuität der Verfolgung von Sinti*zze und Rom*nja im Nationalsozialismus einfügen. Der Beitrag der Opferberatungsstelle ReachOut verdeutlicht, welche Auswirkungen polizeiliche Kontrollen auf junge People of Colour in Berlin haben. Die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş weist auf den auch nach acht Jahren unaufgeklärten, mutmaßlich rassistisch motivierten Mord im Bezirk Neukölln hin und kritisiert die polizeiliche Ermittlungsarbeit. Weitere Beiträge beschäftigen sich mit der Arbeit gegen antimuslimischen Rassismus an Berliner Schulen (ufuq.de), mit antifeministischen Vereinen, die versuchen, in der Stadt eigene, nicht ergebnisoffen arbeitende Schwangerschaftsberatungen zu etablieren (pro familia) und Vernetzungsorten der »Neuen Rechten« (apabiz), aber auch mit dem rechten Kulturkampf gegen das Gedenken an die Verbrechen des Nationalsozialismus (MBR). Die Journalistin Malene Gürgen erinnert in ihrem Vorwort an das »Klima der Angst«, das viele Betroffene der andauernden extrem rechten Angriffsserie in Neukölln nach wie vor in Atem hält.

Bianca Klose, Projektleiterin der MBR, betont anlässlich der Veröffentlichung:

Antisemitismus, Rassismus und extrem rechte Einstellungen, wie sie wieder verstärkt sichtbar werden, haben ihren Ursprung vielfach in der sogenannten Mitte der Gesellschaft. Statt denen Gehör zu schenken, die die schrillsten Töne von sich geben, bleibt es das Gebot der Stunde, diejenigen zu stärken, aber auch zu schützen, die im Alltag für Menschenrechte und Demokratie einstehen. Die aktuelle Bagatellisierung des Nationalsozialismus bei ›Anti-Corona-Versammlungen‹ ist nur der jüngste Beleg für den Versuch von rechts, die mühsam erkämpfte Erinnerungskultur an die Shoah zurückzudrängen. (Bianca Klose, MBR)

Kilian Behrens vom apabiz resümiert:

Im Nachgang von rechten Anschlägen wie zuletzt in Hanau, ist regelmäßig von einer ›neuen Qualität‹ die Rede – eine Verlegenheitsphrase, die allein durch ihre Wiederholung nicht richtig wird. Rechter Terror ist seit jeher festes Element der gewaltvollen Politik der extremen Rechten und damit auch Bestandteil der politischen Realität der Bundesrepublik. Wer das verkennt, wird sich auch weiterhin schwer tun, die Gefahren dieser mörderischen Ideologie rechtzeitig zu erkennen. Rassismus und Antisemitismus, Homo- und Trans*feindlichkeit sowie Frauen*hass müssen endlich als tief in der Gesellschaft verwobene Verhältnisse erkannt und benannt werden. (Kilian Behrens, apabiz)

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Die Publikation »Berliner Zustände – Ein Schattenbericht über Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus« wird seit 2006 jährlich gemeinsam vom antifaschistischen pressearchiv und bildungszentrum berlin (apabiz e.V.) und der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) herausgegeben. Die »Berliner Zustände 2019« sind online abrufbar unter schattenbericht.de und mbr-berlin.de. Gedruckte Rezensionsexemplare können über mail@apabiz.de und presse@mbr-berlin.de bezogen werden.