Heute erinnert an keinem der Tatorte ein Denkmal oder ein Hinweisschild an die Opfer der »Gruppe Ludwig«. Seit einigen Jahren veranstalten in München Antifaschist*innen und Feminist*innen Gedenkveranstaltungen für Corinna Tartarotti.  Foto: Robert Andreasch

Aus dem Bild gefallen: Der rechte Terror der »Gruppe Ludwig«

Zwischen 1977 und 1984 beging die »Gruppe Ludwig« in Norditalien und München Morde und Anschläge, die fünfzehn Menschen das Leben kosteten. Ihre Ideologie wurde auf eine krude Mischung aus Nationalsozialismus und wahnhafter christlicher Sexualmoral verkürzt. Ein kritischer Blick auf eine Leerstelle in unserem Wissen über den europäischen Rechtsterrorismus.

Von Eike Sanders und Thomas Porena

1980 beendete eine Bombe das Leben von zwölf Besucher*innen des Münchner Oktoberfestes, und der deutsche Staat tat alles, um zu verschleiern, dass es sich bis dato um den schwersten rechtsterroristischen Anschlag der Bundesrepublik handelte und der Täter sowohl ein politisches Ziel verfolgte als auch in ein neonazistisches Netzwerk eingebunden war. Dreieinhalb Jahre später steckten nur wenige Hundert Meter entfernt zwei junge Männer aus Norditalien die Diskothek »Liverpool« in der Münchner Schillerstraße in Brand, die junge Barangestellte Corinna Tartarotti starb. Bei der italienischen Presseagentur traf einige Zeit später ein Bekennerschreiben der dort schon bekannten »Gruppe Ludwig« ein – wie immer mit Reichsadler und Hakenkreuz im Briefkopf und der Parole »Gott mit uns« unterschrieben. Darin heißt es: »Im Liverpool wird nicht mehr gefickt«. Dies war ein rechter Terroranschlag einer Serie, die sich gegen Menschen richtete, die als Schwule, Drogennutzer, Sexarbeiterinnen, ›gefallene‹ Priester identifiziert wurden oder Sexkinos und -Diskotheken besuchten.

Eine Terrorserie, die 1977 begann und die von den ermittelnden italienischen Behörden, aber auch der italienischen und deutschen Gesellschaft systematisch entpolitisiert wurde. Die Morde und Anschläge im Namen der »Gruppe Ludwig« endeten 1984 mit der Festnahme und Verurteilung von Marco Furlan und Wolfgang Abel, aber viele Fragen bleiben bis heute offen. Deutsch- und englischsprachige Quellen und Literatur sind bisher nur spärlich vorhanden, die »Gruppe Ludwig« scheint auch in der Forschung über den europäischen Rechtsterrorismus eine Randnotiz zu sein. Beim Zusammentragen der Fakten auch nach 40 Jahren ergeben sich immer noch drängende Fragen nach der organisatorischen und ideologischen Vernetzung der beiden verurteilten Täter: Bestand die Gruppe wirklich nur aus zwei Personen und wie waren sie in den norditalienischen, den deutschen sowie den internationalen Faschismus vernetzt? Wie lassen sich die Taten und die dahinter stehende Ideologie in das politische Umfeld in Norditalien zu der damaligen Zeit einordnen? Und ist die ausagierte Ideologie wirklich so mysteriös und krude? Ein kritischer Blick zurück zeigt, dass nicht nur die Ermittlungs- und Justizbehörden ein Interesse daran hatten, die Ideologie als sonderbar, die Täter als »verrückt« und den Fall als abgeschlossen zu erklären. Wir sehen Kontinuitäten in der gesellschaftlichen Verankerung menschenverachtenden Denkens, dem sowohl die Opferauswahl als auch das Handeln der Behörden zugrunde liegen. Geschlechterrollenbilder, Psychopathologisierung und Entpolitisierung bedingen einander viel zu oft. So stecken auch vierzig Jahre später die Aufarbeitung und das kritische Gedenken an die Opfer noch in den Anfängen. (…)

Den vollständigen Artikel und ein Interview mit den Autor*innen findet ihr bei NSU-Watch. Außerdem empfehlen wir die aktuelle Folge des NSU-Watch Podcasts »Aufklären & Einmischen«. Diese wirft gemeinsam mit Eike Sanders einen Blick auf die Geschichte des Rechtsterrorismus und der »Gruppe Ludwig«.