Öffentlichkeitswirksame Mobilisierung von rechten Frauen am 17.2.2018 in Berlin.V.l.n.r.: Leyla Bilge (AfD), Marie-Thérèse Kaiser (AfD), Katja Kaiser (Wir für Deutschland, Pegida).  Foto: Oskar Schwartz

Rechte Frauenmobilisierungen nach Köln

Extrem rechte Frauen und ›ihre‹ Themen werden in der eigenen Szene nicht nur vereinnahmt: Die Selbstorganisierung rechter Frauen und ihr Engagement zu ›Frauenthemen‹ kann selbstermächtigende Momente mit sich bringen, bewegt sich dabei jedoch immer im Spannungsfeld von Realität, Inszenierung und Rezeption – und bleibt rassistisch und antifeministisch.

von AK Fe.In

Im direkten Nachgang der Silvesternacht 2015 kamen einige teils erschreckende, teils skurrile und bemerkenswerte Aktionen und Kooperationen zustande: Eine Handvoll extrem rechter Frauen, darunter die Aktivistinnen Melanie Dittmer, Sigrid Schüssler und Ester Seitz schlossen sich noch im Januar 2016 zum Mädelbund Henriette Reker zusammen und posierten mit einem ausgestreckten Arm und geballter Faust. Sie bezogen sich damit auf den von der damaligen parteilosen Bürgermeisterin Henriette Reker von Köln vorgeschlagenen Verhaltenskatalog für Frauen*, der unter anderem »eine Armlänge Distanz« zu ›Fremden‹ beinhaltete. Da die meisten der wenigen Aktivistinnen eine jahrelange Postenkarriere in extrem rechten Organisationen (Kameradschaften, NPD, RNF, Identitäre, Pegida und ihre lokalen Ableger) vorweisen konnten, war ihnen in einem kurzen Zeitfenster große Aufmerksamkeit sicher und half ihnen über mutmaßliche Differenzen hinweg. Diese medienwirksame Gruppe verschwand allerdings schnell wieder von der Bildfläche, ohne mehr als ein paar Fotos mit Gruppentransparent bei wenigen rechten Mobilisierungen und viele zynische Kommentare auf der eigenen Facebookseite hinterlassen zu haben. Übrig ist heute eine nur noch von der umtriebigen ehemaligen NPD-Politikerin Sigrid Schüßler genutzte Facebookseite.

Zeitgleich ernteten die Frauen um die damalige stellvertretende Vorsitzende der Bürgerbewegung Pro Köln, Judith Wolter, die Früchte der antimuslimisch-rassistischen Propaganda und gründeten Frieda (Frauen gegen die Islamisierung und Entrechtung des Abendlandes): »Die Silvester-Schande von Köln muss jetzt zu einem Aufwachen führen. Gerade bei uns Frauen, weil wir die ersten Leidtragenden einer Islamisierung und Entrechtung im eigenen Land sind! Rapefugees not welcome! Frauen, wehrt Euch!«[1] Laut Pi-News plane Frieda »Seminare zum Notwehr- und Nothilferecht, Selbstverteidigungskurse für Frauen sowie politische Vorträge und Schulungen.«[2] Von diesen Aktivitäten ist nichts bekannt. Auch diese Gruppe zählte entgegen der Darstellung im Gründungsmanifest den Bildern zufolge lediglich eine Handvoll Aktivistinnen und existierte nur gut ein Jahr. (…) Auch in der parteiförmigen Rechten tat sich in Punkto Frauen*organisierung in den letzten Jahren einiges. Am 3. November 2018 fand der erste »Alternative Frauenkongress« statt, es gründete sich FridA – Frauen in der Altervative e.V. als eingetragener Verein. Die Vorsitzende Anja Markmann kommentierte die Gründungsveranstaltung: »Wir sind eben keine linksgrünen männerhassenden Frauen, die gegen ein vermeintliches Patriarchat kämpfen wollen, sondern Frauen, die allesamt mitten im Leben stehen und sich für eine vernünftige alternative Politik einsetzen – das unterscheidet uns von den Frauenorganisationen der Altparteien«[3]. Die eingetragenen Vorstandsmitglieder sind AfD-Frauen, die in der Hierarchie der Funktionen und Mandate eher in den hinteren Reihen der Gesamtpartei zu verorten sind – also ehemalige AfD-Stadträtin oder Bezirksvorstandsbeisitzerin.[4] Die großen weiblichen Namen der Partei wie Alice Weidel, Beatrix von Storch, Mariana Harder-Kühnel, Birgit Bessin oder Christina Baum fehlen in öffentlichen Verlautbarungen, alleinig Nicole Höchst ist Schirmherrin des Vereins. Sie ist eine von zehn Frauen der 91 Abgeordneten der AfD-Fraktion im Bundestag, dessen Frauenanteil ohnehin nur 31 Prozent beträgt. Beginn 2019 entstand neben FridA eine Organisation namens FAlter, der Frauen Alternative e.V. als Verein in Gründung: »Wir machen politische und soziale Angebote für Frauen jenseits von ›Gender‹ und ›Quotenforderung‹ und sind somit eine echte Alternative für alle politisch interessierten Frauen.« Als Referentinnen werden auf der Homepage von FAlter neben den drei Gründungsmitgliedern Beate Prömm (Berlin), Heike Themel (Bayern) und Alexandra Kloß (Thüringen)[5] auch Leyla Bilge (Listenkandidatin zur Landtagswahl in Brandenburg) und Christi Anechristen aufgeführt und damit zwei AfDlerinnen, die schon sogenannte Frauenmärsche oder Kandel ist überall-Demonstrationen organisierten.[6] Die Aktivitäten von FridA und FAlter werden bisher weder in der eigenen Partei noch in der antifaschistischen Beobachtung groß wahrgenommen, wenngleich in Deutschland vor allem die Frauenmärsche und auch der initiierende Frauenkongress 2018 einige Wirkung erzielen konnten, die über die AfD hinausgingen. Die bisherigen Versuche der AfD, als Frauen frauenpolitisch aktiv zu sein, sind also von Defiziten in der Außenwirkung und den für die AfD typischen Spaltungen gekennzeichnet. Es sind Einzelpersonen wie Leyla Bilge oder Nicole Höchst, die durch ihre Biografie und ihr Engagement frauen*-politische Themen in die AfD spülen, diese Leerstelle vermeintlich authentisch zu füllen scheinen und sich mit dem Thema einen Platz in der Partei sichern und punktuell in Eigenorganisationen aktiv sind. (…)

Die Ausnahme von der Regel zu sein, ist profitabel.

In Deutschland hat in den letzten 15 Jahren die Zahl der Selbstorganisationen deutlich abgenommen, nicht aber die Zahl der Frauen* in der rechten Szene insgesamt. Das Engagement hat sich also in gemischtgeschlechtliche Gruppen oder kurzlebige Projekte verlagert, in denen Frauen* weiterhin verschiedenste Rollen und Themen besetzen: von der Parteivorsitzenden, die sich selten zu Gender-Themen äußert, über die lokal verankerte Politikerin, die sich um Kinder und sogenannte ›weiche‹ Themen kümmert, die intellektuelle Vordenkerin, die Liedermacherin, bis hin zur Rechtsterroristin. Inwieweit selbstermächtigende, also quasi emanzipative Momente in der damaligen Hochphase der Frauenorganisierung, den späten 1990er und frühen 2000er Jahren, zentral waren oder ob es einfach die sichtbar gewordene Ausdifferenzierung einer gewachsenen Spielwiese war, ist schwer zu beurteilen. Aus der friedlichen Koexistenz verschieden ausgerichteter Gruppen entstanden seltener Spaltungen, häufiger verschwanden viele rechte Frauen (ebenso Männer) und ihre Gruppen von der Bildfläche. Nach einer oft jugendlich geprägten sehr aktiven Phase zogen sie sich in das politische Private zurück, gründeten Familien und tauchten vereinzelt erst wieder auf, als die gesamte Szene mit den rassistischen Mobilisierungen der letzten Jahre neuen Schwung bekam. Dementsprechend ist die heutige Realität, dass Frauen durchaus verschiedenste Rollen und Funktionen erfüllen, die immer im Spannungsfeld von Realität, Inszenierung und Rezeption stehen. (…)

Alice Weidel ist AfD-Spitzenfunktionärin, weil und obwohl sie eine in einer Beziehung mit einer Frau lebende Frau ist. Ihre sexuelle Identität und Orientierung scheinen derzeit für sie und die Gesamtpartei ein Vorteil zu sein. Ob, wann und unter welchen Umständen dieser Vorteil in einen Nachteil umschwenken wird, wird sich zeigen. Die Ausnahme von der Regel zu sein, ist profitabel, sowohl für die Ausnahme, als auch für die Mehrheit, die sich mit dieser Ausnahmeregelung als tolerant und divers darstellen kann. Diese prekär funktionierende, funktionale Ambivalenz ist nicht mit einer pathologisierenden Annahme einer Persönlichkeitsstörung von Weidel zu erklären. Sie zeigt sich auch in der Existenz von Gruppen wie Alternative Homosexuelle oder den Juden in der AfD in einer tendenziell homo- und trans*feindlichen sowie antisemitischen Partei. Das Problem bleibt hier also, dass bei (extrem) rechten Frauen* oft vor allem von außen beurteilt wird, ob sie mit der angenommenen einen einzigen ›Rolle der Frau‹ übereinstimmen. Sie selbst finden und nutzen unterschiedlichste Strategien, um die Widersprüche zwischen Ideologie und Realität zu überbrücken. So bleibt im rechten Weltbild nach wie vor tendenziell die Frau für die Kindererziehung, den Haushalt, die Pflege von Kultur und Familienbanden zuständig. Es finden und fanden jedoch immer wieder Modernisierungen dieser Rollenzuschreibungen statt. Die rechte Szene bietet immer wieder ergänzende weitere Rollenmodelle an und sie ist außerdem oftmals sehr offen für individuelle Abweichungen, die nur von außen absurd wirken mögen. So ist eine Selbstorganisierung von Frauen innerhalb einer extrem rechten Szene oder Gruppierung Konjunkturen von gesamtgesellschaftlichen Themen, Dynamiken und Rollenzuschreibungen unterworfen. Frauen* bleiben darin allerdings aktiv handelnde Subjekte, die ihre zugeschriebene und performative Geschlechtsidentität auf die eine oder andere Weise zu verstecken, meist aber zu nutzen wissen.

 

Dieser Text ist ein leicht gekürzter Auszug aus dem Buch »Frauen*rechte und Frauen*hass. Antifeminismus und die Ethnisierung von Gewalt«. Das Buch ist unter Mitwirkung unserer Mitarbeiterin Eike Sanders kürzlich im Verbrecher Verlag erschienen.

  1.  Gründungsmanifest, datiert auf den 18.1.2016, vgl. o.A: (2016): Frauenrechtsgruppe »Frieda« in Köln gegründet. In: PI-News vom 20.01.2016 (abgerufen am 21.4.2019).
  2.  Ebd.
  3.  O.A. (o.J.): Gründung von FridA. Online: http://nicole-hoechst-afd.de/2018/12/10/bericht-aus-berlin-2/ (abgerufen am 21.04.2019).
  4.  Der Vereinsregisterauszug führt Anja Markmann (ehemalige AfD-Stadträtin Heidelberg) als Vorsitzende, Ann-Kathrin Homann (Beisitzerin im Bezirksverband der AfD in Berlin-Tempelhof-Schöneberg) als stellvertretende Vorsitzende und Michaele Eglseer (Bayern) als zweite stellvertretende Vorsitzende auf.
  5.  Kloß und Prömm wurden in der ersten PM zur Gründung von FridA im November 2018 als Vorstandsmitglieder genannt, sind nun aber nicht mehr dabei. Im Frühsommer 2019 ging die Homepage der frauen-in-der-alternative offline.
  6.  Bilge mit ihrem Verein »Leyla e.V.« war 2018 die Hauptorganisatorin zweier Frauenmärsche durch Berlin. Vgl. MBR (2018): MBR-Einschätzung zum »Frauenmarsch« am 09.06.18. Online: https://www.mbr-berlin.de/aktuelles/mbr-einschaetzung-zum-frauenmarsch-am-09-06-18/ (abgerufen am 21.04.2019). Christen gehörte zum initiierenden Kreis von Kandel ist überall, laut einem FB-Post der Kampagne vom 19. Juli 2018.