Medienschau: Antritt von rechts

Das Magazin der VVN-BdA, die Antifa, hat in seiner Ausgabe vom September/ Oktober 2016 unsere Wahlbroschüre rezensiert:

Während der Hauptstadtwahlkampf zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen merklich in die heiße Phase (am 18. September wird gewählt) eintritt, versuchen sich die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) und das Antifaschistische Pressearchiv (apabiz) an Ratschlägen zum Umgang mit der Alternative für Deutschland (AfD).

Als Sammelbecken für das rechtsliberale, rechtskonservative und rechtsextreme Spektrum werden der AfD auch in Berlin bis zu 14% der WählerInnenstimmen vorausgesagt. Nicht die konkreten Inhalte und das Berliner AfD-Personal würden die WählerInnen überzeugen, sondern der bundesweite Trend, selbst Teil einer neuen rechten Bewegung zu sein, die auf außerparlamentarischer wie parlamentarischer Ebene dem Establishment das Fürchten lehrt. Wenn dieses Ziel in erreichbare Nähe rückt, scheinen die parteiinternen Widersprüche zwischen wirtschaftsliberal und offen rassistisch, überwindbar. Die Strategien zur Schadensbegrenzung bei öffentlicher Thematisierung von extrem rechten Tabubrüchen sind hinlänglich eingeübt: Herausreden, Leugnen, Vertagen, sich als Opfer von Polit-Mobbing darstellen. Wie also ist die AfD in der Konfrontation zu packen?

Konfrontationsstrategien
Die AutorInnen wollen unter anderem die »Grundlagen der Demokratie« dazu in Stellung bringen. Zu denen gehören die Grundrechte, die Rechte von Minderheiten und allgemeine Menschenrechte, die die AfD letztlich aushebeln wolle. Doch ist das nicht schon längst bundesdeutsche Realität? Für Nicht-Deutsche fallen Bürgerrechte zumeist flacher aus. Das geht beim Wahlrecht los und endet noch lange nicht beim Straf- und Ordnungsrecht (z.B. »verminderter Rechtsschutz« im Asylverfahren), das sehr wohl die BürgerInnen zweiter Klasse kennt. Wer beispielsweise in den letzten Jahren versucht hat die Schulpflicht für minderjährige Flüchtlinge gegen den Willen von SPD-Bezirksstadträten und die versammelte LehrerInnen- und Elternschar an den Berliner Schulen durchzusetzen, hat den Glauben in die »unveräußerlichen« Grundrechte verloren. Wenn sich die dringende strategische Abgrenzung zur AfD nun ausgerechnet auf die Grundrechte bezieht, die ohnehin ausgehöhlt sind, werden die meisten Parteien ins Schlingern geraten. Da wird auch der »Berliner Konsens gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus«, einer Erklärung der sechs größeren demokratischen Parteien, nicht weiterhelfen. Eine ernsthafte Debatte darüber, was hierzulande Menschenrechte wert sind, braucht mehr als die AfD und den Wunsch, diese aus den Parlamenten rauszuhalten.

Argumentative Anstrengungen
Man möge im Wahlkampf »Argumentative Anstrengungen« unternehmen, um die Lösungsvorschläge der AfD für gesellschaftliche Probleme als nicht-lösend bzw. verschlimmernd darzustellen. Am besten vor Publikum das unentschlossen ist und von einem Wahlerfolg der AfD womöglich nicht profitieren würde, so die AutorInnen. So richtig die erweiterte Suche nach BündnispartnerInnen gegen die AfD ist, so mühsam scheint die praktische Umsetzung doch gerade in Berlin. Die AfD hat, trotz des »Berliner Konsens« und der inszenierten Ausbrüche, den demokratischen Duldungsrahmen offenbar noch nicht verlassen. Was uns schon bei der NPD entgegenhalten, bekommen wir bei den Anti-AfD-Aktionen ebenso zu hören: So lange sie nicht verboten sind, muss der Widerstand auf Sparflamme bleiben. Dass in sämtlichen AfD-Parteistrukturen, bis in die Bezirksverbände, ehemalige CDU-Funktionäre und ein hoher Anteil an Staatsbediensteten (StaatsanwältInnen, LehrerInnen, PolizistInnen usw.) eine neue Heimat gefunden haben, erschwert den breiten gesellschaftlichen Konsens.
Aus diesem Grund gibt es auch keine wahrnehmbare Diskussion dazu inwieweit Podien in Schulen und Diskussionsveranstaltungen mit der AfD gemieden werden sollten. Sie finden statt. Und zwar ohne, dass zentral über die diskriminierenden Schwerpunkte der AfD gesprochen wird. Zur Vorbereitung zu solchen Veranstaltungen können die Vorschläge der MBR aus der Broschüre weiterhelfen: (1) Eingrenzung der Themen um eine Selbstinszenierung der AfD zu unterbinden, (2) faktensichere und entschiedene Moderation, (3) rechtsextremes Personal und Inhalte – auch jenseits der offiziellen Verlautbarungen – der AfD argumentativ entgegenhalten, (4) ob im Modus »andauernde Empörung« oder im Geplauder über Verkehrs- und Baupolitik, das Ziel sollte ein »selbstbewusst-dechiffrierender Umgang« mit der AfD sein.
Diese eindeutigen Hinweise von Projekten die staatlich gefördert werden, sind nicht selbstverständlich. Umso dankbar sollten wir sein, dass sich die AutorInnen etwas weiter vorwagen als ihre AdressatInnen (vor allem KandidatInnen anderer Parteien). Schade, dass die Gelegenheit nicht genutzt wurde auch einen Überblick darüber zu geben was aus antifaschistischer Perspektive noch gegen die AfD aufgefahren wird und gemeinsam ausgebaut werden müsste.

Markus Roth