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Profil: Die Deutsche Evangelische

Allianz (DEA)

 

Evangelikale Kampfansage

von Ulli Jentsch

Eine kurze, aber wuchtige Medienkampagne hätte zur Jahreswende den Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung, Peter Krüger, fast das Amt gekostet. Das Netzwerk der deutschen Evangelikalen, die DEUTSCHE EVANGELISCHE ALLIANZ, war empört, weil Krüger angeblich Islamisten und Evangelikale gleichgesetzt habe. Warum denn eigentlich nicht?

Peter Krüger hatte als Unterstützer der SchülerInnenzeitung q-rage, die vom Netzwerk Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage herausgegeben wird, in einem Begleitbrief zur Dezember- Ausgabe geschrieben: »In der Zeitung finden sich interessante Informationen, wie islamistische und evangelikale Gruppen, die wichtige Freiheitsregeln in Frage stellen, Jugendliche umwerben.« Neben dieser passablen Formulierung geriet ein Artikel über das sogenannte Christival ins Visier der Evangelikalen.[1] Der Artikel zweier Jungredakteure referierte – streckenweise durchaus artig und unpolemisch – die Aktivitäten auf dem Christival und die Eindrücke von BesucherInnen. Andere Gruppen hatten zuvor sehr viel drastischere Kritik geäußert, beispielsweise an einem Workshop, der die »Heilung Homosexueller« versprach.[2]

Die DEUTSCHE EVANGELISCHE ALLIANZ (DEA)

Vorgetragen wurde die massive Kritik vor allem durch zwei langjährige Funktionäre der DEA: den Generalsekretär HARTMUT STEEB und den Journalisten WOLFGANG BAAKE, Vorstandsmitglied und Beauftragter der Allianz am Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung. Die Allianz ist das zentrale und größte Netzwerk evangelikaler Christen in Deutschland. Sie verfügt nach eigenen Angaben über Vertretungen in mehr als 1.100 Orten Deutschlands mit rund 1,3 Millionen Menschen. Das Netzwerk ist allerdings heterogener, als diese Zahlen und die Selbstdarstellung das erscheinen lassen. Die Medienarbeit der DEA ist professionell, ihr steht vor allem das Nachrichten- Magazin IDEA-SPEKTRUM offen, das wöchentlich in einer Auflage von über 30.000 Exemplaren erscheint. WOLFGANG BAAKE führt die Lobbyarbeit in den Berliner Regierungskreisen und findet zudem noch Zeit, seit über 25 Jahren den CHRISTLICHEN MEDIENVERBUND KEP E.V. (»KONFERENZ EVANGELIKALER PUBLIZISTEN«) sowie eine damit verbundene Medienakademie zu leiten.

Ziele und Politik der DEA

Politisch ist die ALLIANZ, und mit ihr auch die Mehrzahl aller evangelikaler Gruppierungen, am rechten Flügel der Unionsparteien orientiert. Zu den Zeiten der Kanzlerschaft HELMUT KOHLS besaßen sie durch den Parlamentarischen Staatssekretär im Innenministerium, HORST WAFFENSCHMIDT, einen exquisiten Zugang zur Regierungsspitze.Dieser endete mit Rot-Grün. BAAKE warnte schon kurz nach der Wahl über die »ethischen Folgen«, die das »unchristlichste Parlament der Nachkriegszeit « zeitigen würde.[3]
Kurz danach nahm er seine Berliner Lobbyarbeit auf, an der sich auch Waffenschmidts Sohn CHRISTOPH beteiligte. Wesentliche Angriffsziele der Allianz waren zentrale innenpolitische Projekte
von Rot-Grün, wie die doppelte Staatsbürgerschaft oder die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften. »Die Themen, die BAAKE anspricht, sind der Schutz von Ehe und Familie, der Kampf gegen Sterbehilfe und Abtreibung, Einschränkungen bei künstlicher Befruchtung und pränataler Diagnostik«[4]. In den vergangenen Jahren sind auch Themen, wie der Streit um die Evolutionstheorie, sexuelle Enthaltsamkeit vor der Ehe und allgemein die Auseinandersetzung mit dem Islam in den Vordergrund gerückt.
Die Methode der Evangelikalen ist die Missionierung, sei es in den Kirchen, in parlamentarischen Bibelkreisen, auf großen christlichen Festivals, durch Massenpredigten oder durch ihre vielfältigen Medienaktivitäten.
Programmatische Vorgabe ist »Gottes Wort«: »In Absetzung von der Bibelkritik liberaler Theologie wird die Geltung der Heiligen Schrift als höchster Autorität in Glaubens- und Lebensfragen unterstrichen. Entsprechend der theologischen Hochschätzung der Heiligen Schrift ist eine ausgeprägte Bibelfrömmigkeit kennzeichnend.«[5] Ob sich die Unfehlbarkeit der Bibel auch auf wissenschaftliche und historische Aussagen ausdehnen lässt, ist immerhin umstritten. Das Verhältnis zu anderen Religionen ist spannungsreich. Der Islam in Deutschland wird als expansiv und anti-christlich beschrieben, wogegen die Mobilisierung aller Christen für eine »christliche Leitkultur« notwendig sei. Die umfassende weltweite Missionierung beinhaltet explizit auch die Judenmission.

Welcher Skandal?

Was aber bringt nun ein versiertes Lobby- und Mediennetzwerk dazu, sich mit aller Macht auf einen Schülerzeitungs-Artikel zu stürzen, der zudem weniger skandalös war, als andere Artikel über das Christival, ein Herzensprojekt der DEA? Und auf den Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung? Wesentlich war den Evangelikalen, sich nicht mit »Islamisten« oder »Fundamentalisten« vergleichen lassen zu wollen. Nun sind diese Begriffe vieldeutig und umfassen allesamt eine ideologische Bandbreite. Die Äußerungen der ALLIANZ machen vielfach deutlich, dass ihnen »Fundamentalist gleich Islamist« und »Islamist gleich Gewalttäter« gilt, eine durchsichtige ideologische Konstruktion.[6] Den Kämpfern für die »christliche Leitkultur« dient »der Islamist« als Feindbild und da können und dürfen die Grenzen um keinen Preis verwischt werden. Auch wenn das bedeutet, die selber so vehement eingeforderte Differenzierung theologischer Subströmungen selbst nicht zu pflegen.
Die EVANGELISCHE ALLIANZ ist politisch betrachtet der organisierte reaktionäre Flügel des evangelischen Konservatismus. Ihr Menschenbild orientiert sich an einer anti-liberalen Auslegung der Bibel. Ihre Forderung nach einer christlichen Monokultur ist autoritär und sie ist undemokratisch, da sie eine Vielfalt der Kulturen und der Religionen nur als Bedrohung auffasst. Für die Evangelikalen kann das Christentum nur hegemonial überleben und was ihrer Idee einer christlichen Gesellschaft entgegen steht, muss bekämpft werden. Dies führt zur Ablehnung wichtiger Freiheitsrechte moderner bürgerlicher Gesellschaften, und gegen diese führen die Evangelikalen ausgedehnte Kampagnen und Missionen. Wer ihnen dabei quer kommt, dem wird nicht die offene Diskussion angeboten, sondern der wird unter Umständen von einer Medien- und Lobbytruppe in die Mangel genommen. In einer völlig humorfreien Weise wird Jugendlichen erklärt, die Erde sei in sieben Tagen vom lieben Gott erschaffen worden, sie dürften keinen Sex außerhalb der Ehe haben und vom gleichen Geschlecht müssten sie die Finger lassen, weil das angeblich so in der Bibel stehe. Wem da nicht die Mullahs einfallen.

 

1) Das Christival ist ein Festival für junge Christen, das zuletzt 2008 in Bremen stattfand.
2) Vgl. die Kritik von VOLKER BECK (Bündnis 90/Die Grünen) oder den Artikel der Gruppe christlicher Bi- und Homosexueller Zwischenraum auf http://www.zwischenraum.net/christival2008.htm, eingesehen 10.02.2008.
3) Vgl. Richard Nyberg: »Evangelicals Wary After Conservative Defeat«. In: Christianity Today, November 16, 1998. Zit. nach https://www.christianitytoday.com/ct/1998/november16/ 8td024.html?start=1, eingesehen am 23.01.2009.
4) UTA RASCHE: »Wo Gut und Böse klar getrennt werden«. In: FASZ vom 30.10.2005.
5) So 2007 Dr. REINHARD HEMPELMANN, Leiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Berlin.
6) Vgl. BAAKE: »Medien und die Glaubenskriege«. Medienmagazin pro vom 17.2.2006, siehe http://www.pro-medienmagazin.de.

 

Quelle: monitor Nr.39, Februar 2009

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