Nationalistische Front (NF)
Stand des Artikels: 1996
Gründung: 16. November 1985
Verbot: 27. November 1992
Sitz: 32758 Detmold-Pivitsheide
Zahl der Mitglieder: ca. 800
Funktionäre: Meinolf Schönborn (Vorsitzender),
Thorsten Schibblock und Eckhard Scholz (Stellvertreter), Stephan Pielert
(Kassenwart), Andreas Pohl, Steffen Hupka, Helmut Braun
Struktur: In der Nationalistischen Front (NF) schließen
sich Mitglieder nationalrevolutionär orientierter Gruppen aus München,
Bremen und Kassel zusammen. Hinzu kommen ehemalige Mitglieder der Jungen
Nationaldemokraten um Meinolf Schönborns Förderkreis Junges
Deutschland (FJD) und Berliner Skinheads um Andreas Pohl. Die NF organisiert
sich zentralistisch. Die Organisationsleitung legt die politischen Leitlinien
fest. Unterste Stufe der Hierarchie ist der Stützpunkt, der bis zu
fünf Mitglieder sowie eine größere Anzahl von Sympathisanten
organisiert. Neben den Bereichen Nord, Süd und Mitte umfaßt
ein - allerdings nur auf dem Papier bestehender - Bereich Ost die polnischen
Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Grenze. Die NF tritt zu drei Wahlen
an, bei denen sie 0,03 Prozent in Bremen (1991), 0,31 Prozent in Berlin
(1992) und 1,29 Prozent in Kelheim (1992) erhält. Zum Zeitpunkt des
Verbots verfügt sie über Ortsgruppen in Detmold, Bremen und
Braunschweig. In Detmold-Pivitsheide unterhält die Partei ein Zentrum,
das sich im Besitz von Schönborn befindet.
Aktivitäten: Ab 1986 finden jährliche, als
Ausbildungszeltlager getarnte Wehrsportlager statt. Ende Juni 1988 nimmt
die NF an einer Sonnwendfeier in Frankreich teil, auf der das ehemalige
SS-Mitglied Leon Degrelle eine theatralische Zeremonie vollzieht, an deren
Ende eine Schwertübergabe der alten Generation an einen Kameraden
der jungen Generation steht. Im September 1990 nehmen erstmals NF-Mitglieder
in größerer Zahl an der Gästewoche der Deutschen
Kulturgemeinschaft (DKG) in Österreich teil. Im November des
Jahres beteiligen sie sich an dem Aufmarsch zum Gedenken an gefallene
SS-Soldaten in Halbe. Am 6. April 1991 findet die erste Großveranstaltung
der NF mit über 300 Teilnehmern in Niederaula statt. Eine Kampagne
»Schluß mit dem Holocaust« wird beschlossen, deren Auftaktveranstaltung
am 29. Juni in Roding stattfindet. Trotz Verbots finden sich über
400 Personen ein. Im August 1992 wird Schönborn von der Gruppe um
Pohl abgesetzt, Pohl wird neuer Vorsitzender. Vor Gericht bekommt Schönborn
das Recht zugesprochen, die NF weiterzuführen, die Absetzung wird
für nichtig erklärt. Der Pohl-Flügel verläßt
die Partei und gründet die Sozialrevolutionäre Arbeiterfront
(SrA). Nach dem Verbot reorganisiert Schönborn seine Aktivitäten
unter dem Namen Die Gemeinschaft. Er gibt das Periodikum Bericht zur Lage
heraus und verschickt u.a. Schulungshefte. Am 30. Juni 1993 ruft er zur
Gründung des Propagandaverteilkreises auf, dessen Mitglieder über
eine Zentrale mit Propagandamaterial versorgt werden sollen. Auch die
Aktivitäten des Klartext-Verlages werden weitergeführt. Wegen
Fortführung einer verbotenen Organisation wird Schönborn im
November 1995 zu einer Haftstrafe verurteilt.
Periodika: Die Ortsgruppen der NF gaben eine Vielzahl
von regionalen Blättchen heraus. Überregionale Bedeutung hat
die von 1981 bis 1987 erscheinende Publikation Klartext, die als Blatt
der JN beginnt. Dieser folgt 1988 bis 1990 Nachrichten aus der Szene,
aus der 1991 Revolte hervorgeht. Als interner Rundbrief erscheint ab 1989
alle sechs Wochen der Aufbruch. Er »wird kostenlos an alle Mitglieder,
Anwärter und einen uns bekannten Freundeskreis verschickt«.
Programmatik: In ihrem Programm bezieht sich die NF
auf nationalrevolutionäre Demagogik. Sie venritt einen völkischen
»Befreiungsnationalismus«, den sie mit antikapitalistischer
und antiimperialistischer Propaganda gegen die »Bonzen« und
die kapitalistischen und kommunistischen Systeme paart. Ihre biologistischen
und ausländerfeindlichen Positionen verbrämt sie in ihrem Schulungsprogrammen
als »naturalistisches Welt- und Menschenbild«.
Zusammenarbeit: Der 1986 gegründete und ebenfalls
verbotene Klartext-Verlag dient der Verbreitung der gleichnamigen Zeitung,
von Schulungsmaterialien sowie Aufklebern, T-Shirts und Nazi-Rock-Musik.
Er versorgt die NF mit umfangreichen Finanzen. Für Jugendliche ab
14 Jahren besteht der Jungsturm Deutschland. Der FJD bot sich dem an,
der »nicht an der Front kämpfen kann, aber deshalb auch nicht
abseitsstehen möchte«.[1] Im Herbst 1991 ruft Schönborn
zur Bildung des Nationalen Einsatzkommandos (NEK) als paramilitärische
Struktur der Partei auf. Nach Einleitung eines Verfahrens wegen Bildung
einer terroristischen Vereinigung gegen die Parteiführung verlagern
sich diese Aktivitäten aus der Partei heraus zum Deutschen Hochleistungskampfkunstverband
(DHKKV), der in der Solinger Kampfsportschule Hak-Pao unter Beobachtung
des Verfassungsschutzes trainiert. Leiter des DHKKV war der Verfassungsschutz-Informant
Bernd Schmitt. »Weltanschauliche Schulungen« finden gemeinsam
mit der -> Artgemeinschaft und der Deutschen Kulturgemeinschaft (DKG)
statt.
Bedeutung: Die NF ist die erfolgreichste Organisation
des militanten Neofaschismus in den 90er Jahren. Das Konzept, aus einem
nahen Umfeld durch straffe Schulung und rigorose Auswahl Kader heranzubilden,
befähigt die NF ab 1990 zu breit angelegten Aktivitäten. Dabei
erhält sie Unterstützung durch die Kreise um die DKG, die sie
personell und ideologisch mit aufbauen. Eine herausragende Rolle nahmen
hierbei das ehemalige Mitglied der Leibstandarte Adolf Hitler, Herbert
Schweiger, und Rechtsanwalt Jürgen Rieger ein. Beständig verfolgt
die NF die militärische Schulung ihrer Mitglieder. Die wortstark
betriebene Spaltung der Partei wandelt sich schon nach kurzer Zeit in
eine erneute Zusammenarbeit der Gruppen um Pohl und Schönborn. Durch
die Abspaltung und Gründung der SrA war der größere Teil
der ehemaligen NF von ihrem Verbot nicht betroffen.
Autoren: Michael Bauerschmidt, Susanne Brandt, Ulli
Jentsch, Kurt Ohrowski
Quelle: Mecklenburg, Jens (Hg.): Handbuch Deutscher
Rechtsextremismus,
Berlin 1996, S.295-297
Anmerkungen:
[1] Werbeschrift des FJD, o.J. (ca. 1993).
Weitere Materialien:
© für alle: 2005 antifaschistisches pressearchiv und bildungszentrum
berlin e.v.
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