JVA-Report
      Von Christoph Schulze (apabiz)
      Post vom Mörder
       Der »JVA Report« bietet Knastlektüre für inhaftierte 
        Neonazis. Der Macher des Rundbriefs sitzt selbst ein: Enrico Hilprecht 
        ist der rassistische Mörder von Alberto Adriano. 
      Beim groben Durchblättern erscheint der »JVA Report« 
        wie ein durchschnittliches Nazi-Skinzine. Das kopierte A5-Heft hat ein 
        schlechtes Layout, der Schreibstil ist holprig. Doch um Rechtsrock geht 
        es nicht: »Eine Vernetzung von Kameraden innerhalb und außerhalb 
        der Kerkermauern« will der »JVA Report« ermöglichen. 
        Dass das Heft ästhetisch in den 1990er-Jahren stehen geblieben ist, 
        hat einen einfachen Grund. Der Macher sitzt seit dem Jahr 2000 selbst 
        im Gefängnis. Enrico Hilprecht, Jahrgang 1975, ist der Mörder 
        von Alberto Adriano.  
        In der Nacht zum Pfingstsonntag 2000 traf Hilprecht mit zwei anderen, 
        ebenso volltrunkenen Neonazis im Stadtpark von Dessau auf den 39-jährigen 
        Schwarzen Adriano. Die Rassisten begannen zu pöbeln und bald zu prügeln. 
        Hilprecht trat mit seinen 14-Loch-Springerstiefeln gegen den Kopf seines 
        Opfers. Alberto Adriano stirbt drei Tage später im Krankenhaus. Hilprecht 
        zeigt sich vor Gericht reuelos und wird, mitten in der damals bundesweit 
        pulsierenden Debatte um »Rechtsextremismus«, wegen Mordes 
        aus Rassenhass zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Haftstrafe verbüßt 
        er derzeit im Gefängnis von Brandenburg an der Havel. 
        Seit dem Jahr 2006 gestaltet Hilprecht den »JVA Report«, von 
        dem bisher zwölf Ausgaben erschienen sind. Die ersten neun trugen 
        allerdings noch den Titel »Freundeskreis Brandenburg«, erst 
        2007 erfolgte die Umbenennung. Die Nummern zehn und elf sind nicht nur 
        auf deutsch, sondern auch in einer englischen Übersetzung erschienen. 
        Seit geraumer Zeit existiert zudem eine Internetpräsenz, von welcher 
        der »JVA Report« heruntergeladen werden kann. 
      Unterstützung von »draußen«
       Hilprecht kann die Internet-Seite – mangels Netzzugang im Gefängnis 
        – nicht selbst gestalten. Viel Logistik steuern Neonazis von außerhalb 
        des Gefängnisses bei. Als Kontaktadresse diente beispielsweise lange 
        Zeit ein Postfach im brandenburgischen Belzig, das bis etwa 2005 von der 
        mittlerweile inaktiven Neonazigruppe »Preußische Aktionsfront« 
        genutzt wurde. Deren Anführer Pascal Stolle saß selbst ein. 
        Wegen eines Überfalls im Jahr 1997 auf die Mitglieder einer linken 
        Punk-Band war er zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden. 
        Inhaber der jetzigen Bezugsadresse, ein Postfach in Wittmund, und eines 
        Spendenkontos für den »JVA Report« ist hingegen Stefan 
        Richardt aus dem niedersächsischen Carolinensiel. Der gelernte Koch, 
        Jahrgang 1983, stammt ebenfalls aus dem Land Brandenburg und war 2008 
        in Friesland erfolgloser Kandidat der NPD bei den Landtagswahlen in Niedersachsen. 
      Zielsetzung
       Für seinen Macher Enrico Hilprecht soll der »JVA Report« 
        nicht nur Zeitvertreib im tristen Knastalltag sein, sondern offenbar politisch 
        als Ergänzung zur Gefangenenbetreuung der einschlägigen »Hilfsorganisation 
        für nationale politische Gefangene und deren Angehörige« 
        (HNG) wirken. Genau wie die HNG will der »JVA Report« inhaftierten 
        Neonazis seelsorgerischen Zuspruch geben, Ratschläge für und 
        Austausch über den Gefängnisalltag liefern und sie mit inhaltlichen 
        Beiträgen auch ideologisch festigen. Kurzum: Sie sollen bei der Stange 
        gehalten werden, damit sie nach der Haftstrafe wieder politisch aktiv 
        werden. Im »JVA Report« wechseln sich antisemitische Karikaturen 
        ab mit Tipps für den Knastalltag und den üblichen rechten Tiraden 
        (»Deutsches Volk erwache!«, »Die weiße Rasse ist 
        bedroht«). 
      Gesprächspartner
       Deutlicher Schwerpunkt sind Briefinterviews mit anderen inhaftierten 
        Neonazis. Die Liste der Gesprächspartner liest sich wie ein »Who 
        is who« des militanten Nazismus. Darunter ist beispielsweise der 
        verurteilte Naziterrorist Martin Wiese, der 2003 einen Sprengstoffanschlag 
        auf die Grundsteinlegung des neuen jüdischen Kulturzentrums in München 
        plante. Auf mehreren Seiten lässt sich Wiese im »JVA Report« 
        darüber aus, wie seiner Ansicht nach der »nationale Kampf« 
        geführt werden solle und wirbt für die Unterstützung der 
        NPD. Auch der Neonazi-Aktivist Axel Reitz sowie der »Landser«-Sänger 
        Michael »Lunikoff« Regener (beide inzwischen nicht mehr inhaftiert) 
        wurden interviewt. Dem NS-Kriegsverbrecher Erich Priebke, Jahrgang 1913, 
        der 1998 in Italien wegen seiner Beteiligung als SS-Offizier an Erschießungen 
        verurteilt wurde und der derzeit deshalb unter Hausarrest steht, wurde 
        ein lobhudelnder Artikel gewidmet – und in der gleichen Ausgabe 
        stolz ein Leserbrief von Priebke abgedruckt. Als Autor im »JVA Report« 
        tritt auch Karl Polacek, ehemaliger Funktionär der 1995 verbotenen 
        »Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei«, in Erscheinung. 
        Auf der Website wird indes eifrig für »Solidarität mit 
        Kay Diesner« geworben. Diesner, Jahrgang 1972, sitzt in der JVA 
        Lübeck eine lebenslange Haftstrafe ab, weil er einen linken Buchhändler 
        in Berlin-Marzahn mit einer Pumpgun angeschossen und auf der Flucht einen 
        Polizisten erschossen hatte. 
        In der Doppelausgabe 4/5 kommt Sebastian Dahl, Jahrgang 1982, ausführlich 
        zu Wort. Der Neonazi beschwert sich, dass für seinen Geschmack zu 
        viele Ausländer in der JVA Tegel in Berlin einsitzen – dort 
        ist auch er inhaftiert. Zuvor, in der JVA Brandenburg/Havel hatte es ihm 
        besser gefallen. Nach seiner Haftzeit will er weiter aktiv bleiben: »Politisch 
        werde ich nicht ruhiger werden. Das weiß ich schon heute!« 
        Dahl hatte im Jahr 2001 zusammen mit anderen Neonazis mit Brandsätzen 
        die Bühne des antirassistischen Festivals »Le Monde Est À 
        Nous« in Königs Wusterhausen abbrennen wollen. Die Tat erfolgte 
        in der Nacht vor dem Festival. Auf der Bühne schliefen zu dieser 
        Zeit mehrere alternative Jugendliche.  
        Ein weiteres Beispiel: Oliver Oeltze, Jahrgang 1983, war Aktivist der 
        inzwischen verbotenen Berliner »Kameradschaft Tor« und sitzt 
        derzeit wegen eines Überfalls im Jahr 2005 im Gefängnis. Eine 
        Gruppe von 15 Neonazis zog in einer Tram in Potsdam die Notbremse, als 
        sie auf der Straße zwei Personen sah, die sie der linken Szene zuordnete. 
        Oeltze und die anderen fielen über die beiden jungen Männer 
        her und zerschlugen Flaschen auf ihren Köpfen. Im Interview mit dem 
        »JVA Report« (Ausgabe 10) wird deutlich, dass Oeltze sich 
        nicht als Täter sondern als politisch Verfolgter sieht: »Eines 
        ist auf jeden Fall sicher, nämlich dass ZOG mich mit der Inhaftierung 
        nicht gebrochen hat und in Zukunft auch nicht brechen wird. Sobald ich 
        wieder draußen bin, wird der Kampf unvermindert stark weitergeführt.« 
        Dahl und Oeltze sind für Hilprecht mit ihren Äußerungen 
        offenbar Muster dafür, wie man sich als Neonazi im Gefängnis 
        verhalten solle: Zum Nationalsozialismus stehen, fest entschlossen, nach 
        der Entlassung so weiterzumachen, wie man zwangsweise aufgehört hatte. 
        Nicht alle sind so vorbildlich: Viele andere Gefangene interessierten 
        sich zu sehr für »Frauen« und »Fernsehen«, 
        klagt Hilprecht in einem seiner Beiträge im »JVA Report«. 
       
      Behörden hilflos?
       Die Vernetzungsarbeit unter militanten Neonazis, die der rassistische 
        Mörder Enrico Hilprecht mit seinem »JVA Report « aus 
        dem Gefängnis heraus leistet, hat bisher erstaunlich wenig Reaktionen 
        der Behörden hervorgerufen. Immerhin wird in Niedersachsen inzwischen 
        wegen der Darstellung verbotener Nazisymbole gegen den Kontaktmann Stefan 
        Richardt ermittelt – in der Ausgabe zehn prangt ein SA-Mann auf 
        dem Cover, dessen Hakenkreuz-Armbinde deutlich zu erkennen ist. Dagegen, 
        dass Hilprecht im Gefängnis den »JVA Report« produziert, 
        sei nach Ansicht des Landes Brandenburg hingegen kaum vorzugehen. Kontrollen 
        oder Kontaktverbote würden nicht helfen, diese könnten »nicht 
        verhindern, dass Schreiben über Dritte«, also Mitgefangene, 
        versandt werden, so ein Justizsprecher. Nach einer Landtagsanfrage teilte 
        die Brandenburger Landesregierung mit, dass der »JVA Report« 
        ihren Erkenntnissen zufolge keine hohe Verbreitung habe. Erst dreimal 
        sei der »JVA Report« im Posteingang von neo nazistischen Gefangenen 
        in Brandenburg aufgefallen. Eine strafrechtliche Relevanz der Internet-Seite 
        mochte die Landesregierung übrigens nicht sehen – obwohl auch 
        dort die Ausgabe mit dem Hakenkreuz-Cover zum Download bereitsteht. 
      Quelle: DERRECHTERAND | Nummer 117 | März | April 
        2009 
      Weitere Materialien: 
        
      © für alle: 2005 antifaschistisches pressearchiv und bildungszentrum 
        berlin e.v.  
       
      
      
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