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Profil: »...helft den Kameraden im Knast!«

Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG)

 

Von Christian Dornbusch & Jan Raabe

aus: DERRECHTERAND | Nummer 117 | März | April 2009

Seit vielen Jahrzehnten kümmern sich Gefangenenhilfsorganisationen der extremen Rechten um inhaftierte Gesinnungsgenossen. Die »Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V.«, die im April 2009 seit 30 Jahren besteht, hat in diesem Bereich inzwischen die eindeutig dominierende Stellung.

(...)

HNG

»Werdet Mitglieder und helft den Kameraden im Knast! Solidarität ist unsere Waffe!«. Die HNG ist die am Längsten kontinuierlich aktive Gefangenenhilfsorganisation der extremen Rechten, demnächst feiert sie ihr dreißigjähriges Bestehen. Ihr Logo besteht aus einem aufrechten Rechteck mit den Farben schwarz, weiß, rot. In der Mitte ist ein vergittertes Fenster abgebildet, an dessen Stäbe »von innen« ein Paar Hände fassen. Sie sollen wohl die verzweifelte Lage des Inhaftierten symbolisieren. Gegründet wurde die HNG am 20. April 1979 in Frankfurt am Main als überparteiliche Organisation. Dem ersten Vorstand gehörten Wolfgang Koch, Maria Horn und Henry Beier, der vorher bereits bei der »Braunen Hilfe« in Bremen war, an. Am 23. August 2008 referierte er auf Einladung durch den »Arbeitskreis Politik« aus dem Spektrum der »Freien Kameradschaften« in Dresden.
Mitglied werden, hieß es schon damals im Vereinsstatut, könne jeder, »der Nationale Interessen vertritt.« Diese würden »vorrangige Unterstützung bei eventueller Verhaftung« erhalten. Das beinhalte: »Bei Festnahme, die mit Haft bedroht, wird nach sofortigem Bekanntwerden ein Anwalt eingeschaltet«. Ferner verpflichtete sich der Verein »nach mindestens vierzehntägiger Haft [...] Kontakt zur Familie des Inhaftierten aufzunehmen«. »Bei längerer Haftzeit«, heißt es weiter, verpflichte sich die HNG, »sich um finanzielle Sorgen der Familie d. h. um die Lebensgrundlage zu kümmern. Für etwaige Schulden, Luxus und dergleichen kommt sie nicht auf«. Allerdings hebt der Verein hervor, dass »Waffenhandel und Rauschgift« nicht unterstützt werde und betont, dass die HNG »keine politische Organisation« sei und »keinerlei politische Propaganda« betreibe. In den folgenden Jahren wurde diese Satzung mehrfach überarbeitet. Zum Vereinszweck heißt es heute in § 2: »Die HNG verfolgt ausschließlich und unmittelbar karitative Zwecke, indem sie nationale politische Gefangene und deren Angehörige im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Mittel unterstützt«. Doch das finanzielle Volumen, über das der Verein verfügen kann, ist begrenzt. Mitglied kann im Übrigen »jede Person unabhängig vom Geschlecht werden, mit Ausnahme Inhaftierter, die aus anderen als politischen Gründen sich in Haft befinden«. Immerhin, die HNG versteht sich als »parteipolitisch, konfessionell sowie wirtschaftlich neutral«. (...)

Hilfeleistung

Die HNG entfaltet wenig Außenwirkung. Monatlich publiziert der Verein ein Heft im DIN-A5 Format, ansonsten ist es bis auf Spendenaufrufe in verschiedenen Zeitungen ruhig um die Organisation. Doch diese Ruhe sollte nicht täuschen. Das Spezialgebiet der HNG ist die ideelle Hilfe, sie organisiert Kontakte zu den inhaftierten Gefangenen, um diese im Gefängnis bei der Stange zu halten. »Die H.N.G. sieht es als ihre Aufgabe, den ›PVD´s‹ – den politisch Verfolgten der Demokratie – zu helfen«, erklärte Ursula Müller 1996 im Gespräch mit dem Fanzine »Hamburger Sturm«. Die Satzung der HNG regelt, was die Vereinsmitglieder zu erwarten haben. Doch im Gegensatz zum früheren Leistungskatalog heißt es jetzt nur noch lapidar: »Jedem Mitglied steht die satzungsgemäße Hilfe und Unterstützung zu, sofern es mindestens ein halbes Jahr dem Verein angehört. Ausnahmefälle können vom Vorstand beschlossen werden«. Plastischer wird das mit den Worten von Ursula Müller im Interview mit dem Fanzine »KdF«: »Die Betreuung besteht in erster Linie in der brieflichen Verbindung mit den Inhaftierten. Es werden Pakete zu den »drei Feiertagen« – Geburtstag, Ostern und Weihnachten – verschickt, sofern dem Vorstand Paketmarken vorliegen. Briefmarken, die immer Mangelware sind, werden den Briefen beigelegt, darüber hinaus und soweit es unsere bescheidenen Finanzen erlauben«, erklärt sie weiter, »zahlt die HNG auch für einen Anwalt«. Doch die dürften nicht sehr umfangreich sein. Laut »Bundesamt für Verfassungsschutz« soll die HNG rund 600 Mitglieder haben – der Mitgliedsbeitrag beläuft sich auf vier Euro ermäßigt »für sozial Schwache« und sieben Euro normal. Hinzu kommen Spenden, die teilweise von Einzelpersonen und Kameradschaften stammen. Manche dieser Spenden resultieren aus Solidaritätsaktionen wie extra für die HNG organisierten Konzerten als auch der Herstellung einer Mini-CD-Compilation mit RechtsRock-Bands sowie dem Vertrieb des »HNG-Unterstützerhemds: vorne - »Ungebrochen«, hinten – »Im Geiste frei«, Ärmel – HNG Logo s-w-r, Lieferbar in allen Größen«.
Letztendlich sind die »HNG-Nachrichten« von besonderer Bedeutung, da darin Listen mit Inhaftierten, die Briefkontakt wünschen, samt deren JVA-Adresse abgedruckt werden. Als vor einigen Jahren RechtsRock-Fanzines noch verbreiteter waren, wurden diese Listen darin teilweise nachgedruckt. »Liebe Ursel«, beginnen ein ums andere mal jene Antwortbriefe, die dann in den »Nachrichten« abgedruckt werden, »vielen Dank für Ihren Brief. Mir geht es soweit gut und neue Brieffreundschaften konnte ich auch schon schließen. Es baut einen unwahrscheinlich auf, Post von Kameraden zu bekommen und mit diesen Gedanken- und Erfahrungen auszutauschen. Deshalb an dieser Stelle noch mal ein riesiges Danke für die Aufnahme in die HNG Liste!«.
SozialarbeiterInnen, die mit Inhaftierten zu tun haben, beobachten, dass die HNG und ihre Aktivisten teilweise gezielt versuchen, Kontakt zu Gefangenen aufzubauen, die weder Mitglied sind noch selbst um Unterstützung ersucht haben. Dabei wird es wohl, wie auch bei der Unterstützung der eigenen Mitglieder, darum gehen, zu verhindern, dass sich die Inhaftierten in dieser schwierigen Situation vom politischen Kampf verabschieden.
Doch ganz ohne Konsequenzen ist der Kontakt zur HNG für die Inhaftierten nicht. Auch wenn die Justizvollzugsangestellten in der Regel kaum dafür ausgebildet sind, solche die Resozialisierung gefährdenden Kontakte zu unterbinden, kann ein Briefwechsel mit der HNG oder der Bezug der »Nachrichten« Konsequenzen haben. In der JVA untersteht die Post der Kontrolle und unter Umständen wird vermerkt, dass ein Inhaftierter mit der neonazistischen Organisation oder anderen Neonazis Kontakt unterhalten hat, was, im Fall eines Antrags auf Haftverschonung die ersehnte Verkürzung der Strafe gefährden kann. (...)

Fazit

Die HNG ist eine im neonazistischen Spektrum viel zu wenig beachtete Organisation. Anders als die »Gesellschaft für freie Publizistik«, Parteien wie die NPD oder militante Kameradschaften sucht sie nicht direkt die intellektuelle, parlamentarische oder konfrontative Auseinandersetzung, sondern sie versucht die inhaftierten »Kameraden« in den JVAs mit dem Aufbau von Brücken und Kontakten auf Linie zu halten. Die Haftzeit bleibt so zwar eine Zäsur im Leben des Aktivisten, aber keine Zeit, in der er sein Leben überdenkt und vielleicht einen anderen Weg einschlägt.


Siehe auch -> Nachrichten der HNG

Der HNG-Vorstand

Der Vereinsvorstand hat sich seit 1979 mehrfach geändert. Maria Horn schied bereits 1982 aus dem Gremium aus, woraufhin Friedrich Wüster neu hinzukam. 1984 schied Henry Beier aus, dafür rückten Christa Goerth von der »Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten« und Wolfram Mook auf.
1991 wechselte der komplette Vorstand: Ursula Müller, geborene Jung, wurde mit ihrem Ehemann Kurt Franz Müller Vorstandsmitglied, neben Christian Malcoci (Jüchen), Waldemar Niklas (Mainz), Markus Privenau (Bremen), Friedrich Illian (Wetzlar) und Christian Sennlaub (Witten). Malcocci, Privenau und Sennlaub wurden zwei Jahre später, 1993, von Norbert Weidner (Bonn), Fritz Cuhrts (Ketzin) und Detlef Glock (Salzkotten) ersetzt.
Drei Jahre später vollzog sich der nächste Wechsel. Niklas, Weidner, Cuhrts und Glock schieden aus dem Vorstand aus, Heinz Steinbrecher (Sprendlingen), Hildegard Illian (Wetzlar), Andreas Marhauer (Hildesheim) und Sylvia Endres, heute verheiratete Fischer (Erolzheim) rückten nach. 1999 kam schließlich noch Christian Wendt (Berlin) neu dazu.
Identifiziert wird die HNG aber in erster Linie mit dem Ehepaar Müller beziehungsweise mit Ursula Müller. Vor einigen Jahre sprach die heute 75-Jährige noch häufi ger auf Veranstaltungen des neonazistischen Spektrums, mittlerweile aber ist es ruhiger um sie geworden.

POW - Prisoners of war

In ihren »Nachrichten« verweist die HNG stets auch auf ähnliche Organisationen im Ausland. Oft wird im internationalen Sprachgebrauch das aus dem angelsächsischen Sprachraum stammende Kürzel POW für die inhaftierten »Kameraden« benutzt: »Prisoner of War«. Verbunden ist damit die Aussage, dass die verurteilten Gewalttäter und Mörder – Delikte wie Volksverhetzung sind in den Ländern häufig aufgrund einer anderen Rechtsgeschichte nicht justiziabel – Gefangene im Krieg gegen beziehungsweise mit dem »System« seien.
Manche dieser Organisationen werden, wie »Women for Aryan Unity« von den Frauen der Inhaftierten getragen. Auch in Deutschland gab es 1997 den Versuch, eine solche Interessengruppe unter dem Namen »Einfach ins kalte Wasser geworfen!« zu gründen. Doch die von der HNG aufgeführten ausländischen Hilfsorganisationen wie zum Beispiel das »Collectif d´ Entraide aux Prisonniers Europeens« (C.E.P.E.) aus Frankreich bestehen weder so lange wie die HNG noch verfügen sie in der Regel über jenen Alleinvertretungsanspruch wie die HNG in Deutschland.

 

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