Recherche pour l’antifascisme

 Foto: apabiz

Rezension: Gideon Botsch, Friedrich Burschel, Christoph Kopke, Felix Korsch (Hg.): Rechte Ränder. Faschismus, Gesellschaft und Staat, Verbrecher Verlag, Berlin 2023, 30 €

Von Patrick Schwarz

Eine gründliche Quellenkritik und -analyse ist unumgänglich für die Bewertung von alten und neuen Entwicklungen sowie für eine kritische Auseinandersetzung mit der extremen Rechten, auch im alltäglichen Archivbetrieb. Stellenweise fehlt jedoch der direkte Zugang zu den nicht immer weit verbreiteten Quellen. Glücklicherweise kann in diesem Fall oft auf Institutionen oder Einzelpersonen als Expert*innen zurückgegriffen werden. Bei Fragen zur französischen Nouvelle Droite oder grundsätzlich zur sogenannten Neuen Rechten ist Volkmar Wölk eine dieser Anlaufstellen, und das nicht nur wenn sich die Fragen um die frankophonen Schriften kreisen. Er zeigte sich in der Vergangenheit trotz sicherlich zahlreichen eigenen Arbeitsaufträgen stets offen für Anfragen, teilte gerne sein umfassendes Wissen und machte die eigene Materialsammlung zugänglich.

Anlässlich seines 70. Geburtstages haben sich eine Reihe von Kolleg*innen aus Wissenschaft, Journalismus und Politik für einen Sammelband mit einer Vielzahl von Beiträgen zusammengefunden. Volkmar Wölk hat »mit seinen Ideen und in Diskussionen, mit Kritik und Material immer wieder Appetit auf Themen gemacht, an denen wir mit ihm gemeinsam interessiert sind. Das möchten wir auch in Zukunft nicht missen«, stellen die Herausgeber*innen treffend fest.

Die thematische Vielseitigkeit wird in der Einleitung ebenso gewürdigt wie die unterschiedlichen politischen Stationen Wölks. Stellvertretend nennen lässt sich hier das Amt im Bundessprecher*innenrat der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) sowie die Beteiligung an der Gründungsredaktion vom antifaschistischen Magazin Der Rechte Rand. Die unentbehrliche (Auswahl-)Bibliographie Wölks bietet nicht nur einen Überblick für die von ihm bearbeiteten Themen der letzten Jahrzehnte, sondern auch treffsichere und lohnenswerte Anknüpfungspunkte für eigene Arbeiten.

Eng verbunden mit der Person Wölk ist auch das Werk des Historikers Zeev Sternhell. Unter anderem aufgrund Wölks Übersetzungsarbeit sind Sternhells Schriften auch in Deutschland präsent und zum festen Bestandteil der deutschen Faschismusforschung geworden. Der erste Beitrag des Sammelbandes ist somit ein Vortrag aus dem Jahr 2001 vom inzwischen verstorbenen Sternhell. Volker Weiß greift anknüpfend an die Überlegungen von Sternhell Ernst Jüngers Denken unter dem treffenden Titel »Avantgarde im Sturm auf die bürgerliche Welt« auf.

Die Neue Rechte als eines der Kernthemen Wölks wird auch von dem Politikwissenschaftler Gideon Botsch behandelt. Anhand einiger bemerkenswerter Archivalien aus dem Jahr 1961 zeichnet dieser die Vernetzung von rechten Jugendverbänden auf deutscher sowie europäischer Ebene anschaulich nach. Schließlich markiert er diese als eine der vielen »verborgenen Keimzellen der Neuen Rechten in Deutschland«.

Der Kommunistische Bund (KB) (1971-1991) und sein Verständnis vom (Anti-)Faschismus stehen dagegen im Mittelpunkt von Christoph Kopkes Beitrag. Mit dem AK Antifaschismus des KB wurde nicht nur der damalige Neonazismus umfangreich dokumentiert, es wurden auch wichtige Impulse für zukünftige antifaschistische Rechercheprojekte gegeben. Die Sammlung des AK Antifaschismus des KB befindet sich mittlerweile im apabiz.

Die zwei Beiträge der Journalist*innen Andrea Röpke und Andreas Speit beschäftigen sich dagegen mit aktuellen Themen wie Querdenken und der Corona-Leugnungs-Bewegung als »Strömung der Lebensreformbewegung« und Versuchen der Einflussnahme von Rechten an Schulen. Damit geben sie einiges wieder, was aus ihren zahlreichen Veröffentlichungen bereits bekannt und nach wie vor lesenswert ist.

Caro Keller geht der Frage nach, was es bedeutet, die Aufklärung rechten Terrors und das Gedenken »selbst in die Hand« zu nehmen. Basierend auf den eigenen jahrelangen Erfahrungen als Redakteurin des Projektes NSU-Watch resümiert sie die Beobachtungen vom NSU-Prozess sowie den Prozessen zu den Attentaten in Hanau und Halle: »Das Wissen um diese Kontinuität, die Aufarbeitung und Sichtbarmachung der historischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge und das Lernen daraus sind Bedingungen dafür, zukünftig rechten Terror stoppen zu können.«

Die Bandbreite der behandelten Themen, die sowohl neuere als auch zeithistorische Aspekte der extremen Rechten berücksichtigen, macht den nachdrücklichen Wert der Publikation für interessierte Leser*innen aus. Diese ist eine gelungene Würdigung der jahrzehntelangen Arbeit des Kollegen Volkmar Wölk, den wir seit mehreren Jahrzehnten schätzen, wie viele andere auch.